Interview zum bezahlbaren Wohnen in NRW:
Gefordert und gefördert?
Uwe Schramm
Vorstandsvorsitzender der WohnBau Westmünsterland eG
Das in Borken ansässige Verbandsmitglied bewirtschaftet innerhalb der WohnBau Gruppe insgesamt über 5.700 Wohnungen in mehreren Städten und Gemeinden im Westmünsterland.
Der Vorstandsvorsitzende Uwe Schramm betrachtet die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen als festen Bestandteil seines Unternehmens.
In vielen Städten und Gemeinden – mittlerweile auch zunehmend in ländlich geprägten Regionen – werden bezahlbare Wohnungen zu einem knapp verfügbaren Gut.
Vor allem im Segment bezahlbarer Wohnungen wird das immer spürbarer. Genau in diesem Bereich sind die Verbandsmitglieder des VdW Rheinland Westfalen seit vielen Jahren ein verlässlicher Abnehmer von Fördermitteln und Partner vor Ort.
Wie blickt Uwe Schramm, Vorstandsvorsitzender der Mitgliedsgenossenschaft WohnBau Westmünsterland eG, auf die neuen Bedingungen der öffentlichen Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen?
Sie haben schon in der Vergangenheit für viele Projekte die Mittel der öffentlichen Wohnraumförderung in Anspruch genommen. Worin sehen Sie als Vorstandsvorsitzender einer Wohnungsgenossenschaft die Vorteile öffentlich geförderter Wohnungen?
Uwe Schramm: Wie viele im VdW Rheinland Westfalen organisierte Wohnungsunternehmen und Genossenschaften haben wir nach unserer Satzung einen klaren gesellschaftlichen Auftrag – das ist die sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung breiter Teile der Bevölkerung. Etwa jeder zweite Mensch, der in NRW eine Wohnung sucht – im Seniorenbereich sogar rund 80 % der Wohnungssuchenden – bekommt einen Wohnberechtigungsschein.
Wenn wir diesen Auftrag ernst nehmen, kommen wir doch überhaupt nicht um den öffentlich geförderten Wohnungsbau herum. Das hat unsere sozial orientierte Wohnungswirtschaft schon in bester Manier im Wiederaufbau Deutschlands getan und wir fühlen uns dieser sozialen Orientierung nach wie vor verpflichtet.
Langfristig gesehen sollte auch nicht verkannt werden, dass preisgünstiger Wohnungsbestand ausgesprochen marktfähig ist. Ich habe in meiner Berufslaufbahn auch schon andere Marktphasen erlebt. Eine signifikante Beimischung – sicherlich auch abhängig nach dem jeweiligen Standort – macht also auch schon aus Risikoerwägungen Sinn.
Welche Bedarfe gibt es in der Region, in der Sie auf den Wohnungsmärkten aktiv sind?
Der Immobilienmarkt unseres Geschäftsgebietes, dem Münsterland, ist stark durch Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften im Eigentum geprägt – das gehört zur DNA unserer Region. In diesem Segment und generell im freifinanzierten Wohnungsneubau hat es in den vergangenen Jahren der Niedrigzinsphase einen regelrechten Bauboom gegeben. Ein limitierender Faktor war oft nur die Baulandverfügbarkeit.
Deutlich anders sieht es bei der Entwicklung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus aus. Wenn man sich den aktuellen Wohnungsmarktbericht der landeseigenen Förderbank NRW.BANK ansieht, dann ist das Wegbrechen der öffentlich geförderten Bestände „Schwarz auf Weiß“ dokumentiert. Bis zum Jahr 2035 rechnet die Prognose mit einer negativen Kurskorrektur um 50 %. Das ist schon dramatisch, wie sich die Märkte verändern.
Wir haben zwischen den Jahren 2015 und 2023 rd. 830 Wohnungen gebaut. In diesem Jahr haben wir 386 Wohnungen in den Baubüchern, die innerhalb der nächsten zwei Jahre fertig gestellt werden. Unser durchschnittlicher Projektanteil liegt bei 50 % öffentlich gefördertem Wohnungsbau.
In unseren Beständen wollen wir eine soziale Durchmischung erreichen: Öffentlich geförderte und freifinanzierte Wohnungen „Tür an Tür”. Das Münsterland boomt und braucht neue – bezahlbare – Wohnungen, insbesondere auch für die Fachkräfterekrutierung.
Die neuen Konditionen der Wohnraumförderung des Landes NRW stehen für 2024 fest, wie schätzen Sie das Förderprogramm ein?
Uwe Schramm: Die Bemühungen der Landesregierung – bei wegbrechenden Genehmigungszahlen – Anreize zu setzen, sind unübersehbar. Die Steigerung der Bewilligungsmieten um 50 bzw. 75 Cent (je nach Mietenstufe), der Systemwechsel zur dynamischen 2 %-igen Mietanpassung und das Aussetzen des Verwaltungskostenbeitrages der NRW.BANK in den ersten zwei Jahren sind wichtige und notwendige Veränderungen in den Förderbedingungen.
Ein „Wumms“ hätte es werden können, wenn die im Eckpunktepapier avisierte Mieterhöhung um 1,00 € in Verbindung mit der dynamischen Mietsteigerungsmöglichkeit umgesetzt worden wäre. Die Kommunalverbände werden sich mit ihrer Kritik über zu starke Mietanpassungen demnächst nicht darüber beschweren dürfen, warum zu wenig Wohnungen gebaut werden. Erst recht dann nicht, wenn nach wie vor Mietobergrenzen aus den Kosten der Unterkunft (KdU) als Bruttokaltmieten festgelegt werden und die niedrigen Heizkosten im Neubau unberücksichtigt bleiben.
Das genau war nämlich die Kritik, dass die Kosten der Unterkunft sich zu stark von der Neubaumiete im öffentlich geförderten Wohnungsbau entfernen. Es ist einfach unverständlich, dass man die Kosteneinsparung von hocheffizienten, neuen Wohngebäuden in der Gesamtrechnung unberücksichtigt lässt.
Positiv muss ausdrücklich festgehalten werden, dass die Förderrichtlinien in NRW verlässlich sind und sich das zuständige Ministerium sich Jahr für Jahr anpassungsfähig zeigt.
„Beim Wohnen haben wir es nicht mit irgendeinem Produkt zu tun. Wenn wir nicht ausreichend gegensteuern, wird die soziale Frage nach dem „Wohnen“ zur Existenzfrage vieler Haushalte.”
Uwe Schramm
Die Verlässlichkeit ist also gegeben, aber wie ordnen Sie die Vorgaben, an die die Vergabe der NRW-Fördermittel geknüpft sind, ein? Sind sie angemessen oder sollte stellenweise eine kritische Überprüfung stattfinden?
Uwe Schramm: Ich habe Verständnis dafür, dass in Verbindung mit Subventionen maximale Qualität erwünscht ist. Die Rahmenbedingungen nötigen uns jedoch die Kosten runterzuschrauben, damit wir auch weiterhin bezahlbar neu bauen können. Und dann ist es zwangsläufig, dass wir über Bürokratie, aber vor allem über Standards sprechen müssen.
Wenn wir preiswerten Wohnungsbau wollen, dann müssen wir eben auch unter Qualitätsaspekten wieder einfachere Maßstäbe ansetzen. Außerdem ist es auf kommunaler Ebene überfällig, dass viel mehr Offenheit für angemessene Dichte gibt und Projekte durch kurze und smarte Baugenehmigungsverfahren unterstützt werden.
Welchen Stellenwert sehen Sie in den nächsten Jahren für die öffentliche Wohnraumförderung?
Uwe Schramm: Das Szenario für die nächsten Jahre ist im Grunde genommen schon aufgezeigt. Ein Wegbrechen der Bestände mit Belegungsbindung trifft auf einen völlig unzureichenden Neubau von Wohnungen. Die Nachfrage wird höchstwahrscheinlich sehr hoch bleiben. Bei wenig neuem Angebot führt dies marktwirtschaftlich immer zu steigenden Preisen.
Insofern gilt es, die Rahmenbedingungen für den gesamten Wohnungsbau zu verbessern und breite Anreize für die unterschiedlichen Nutzergruppen – vom Eigentum bis zur Miete – zu schaffen.
Beim Wohnen haben wir es eben nicht mit irgendeinem Produkt zu tun. Wenn wir nicht ausreichend gegensteuern, wird die soziale Frage nach dem „Wohnen“ zur Existenzfrage vieler Haushalte. In einer sozialen Marktwirtschaft müssen wir uns darum kümmern! Der Stellenwert der öffentlichen Wohnraumförderung war selten so hoch wie aktuell.
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