thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Einfach machen

Quelle: Martha Sohn / VdW RW

Einfach machen

Das Komplizierte ist in Deutschland normal. Gerade auf das Bauen trifft dieser Satz zu. Denn die Normen für den Wohnungsbau sind zahlreich und kompliziert, sie einzuhalten ist technisch anspruchsvoll und immer teurer geworden. Inzwischen ist jedoch auch in der Politik der Wunsch zu spüren, zu einfachen Regeln zurückzukehren. Gerade beim Bauen. Einfach ist etwas dann, wenn nur wenige Faktoren zu seinem Entstehen beigetragen haben und das Zusammenspiel der Faktoren durch wenige Regeln erklärt werden kann. Soweit die Definition von Wikipedia. Das Bauen fällt in Deutschland definitiv nicht in diese Kategorie: Dem Deutschen Institut für Normung (DIN) zufolge gibt es derzeit etwa 35.000 DIN-Normen, 3.900 davon sind für das Bauen relevant, davon wiederum 350 speziell für den Geschosswohnungsbau. Und die Entwicklung scheint nur eine Richtung zu kennen: Seit 2008 sind etwa 750 baurelevante Normen hinzugekommen, eine Steigerung um circa 25 Prozent – auf die eben genannten 3.900. Das Problem an komplizierten Regeln ist nicht nur, dass sie zum Teil schwierig zu verstehen sind, sie sind in der Regel auch teuer in der Umsetzung, zumindest beim Bau von Wohnungen.

Quelle: Christian Lord Otto

Wohnen geht in Serie

Ein Mehrfamilienhaus aus vorgefertigten Modulen wie Legosteine aufeinandersetzen: Ein einfaches Prinzip senkt die Kosten und verringert die Bauzeit. Entwickelt sich eine neue Technik gerade zum Gamechanger im Geschosswohnungsbau? Ein Besuch vor Ort. Ein offener Modulrahmen reiht sich an den nächsten. Es wird gesägt, getackert und geschweißt. Funken fliegen, mit Robotern werden Fenster durch die Halle transportiert. In einer 500 Meter langen Fabrikhalle mitten auf dem Land, zwischen Kuhweiden und kleinen Wäldchen, in Friesenhagen bei Siegen entsteht gerade ein Mehrfamilienhaus. Christoph Zielinski, Leiter Geschosswohnungsbau bei der ALHO Systembau GmbH, führt eine Gruppe Interessierte, darunter VdW-Mitarbeiterin Jennifer Rickmann, durch die Halle und erklärt die Technologie hinter der modulbasierten Bauweise. Zunächst werden Metallrahmen für Böden und Decken konstruiert und ausgefacht. Die Boden- und Deckenrahmen werden über Eckstützen miteinander verbunden. So entsteht die tragende Stahlrahmenkonstruktion, in die später die exakt passenden, vorkonstruierten Holzwände eingelassen werden – inklusive Dämmung, Leitungen und Rohre. Durchgänge werden ausgespart. Zum Schluss werden die Fenster eingebaut. Fertig ist das Modul, das später auf der Baustelle mit seinen Artgenossen kombiniert wird, in flexibler Anordnung. „Die modulare Bauweise ermöglicht es uns, nicht nur schneller, sondern auch flexibler und nachhaltiger zu bauen“, sagt er, während er auf die laufenden Maschinen zeigt, die an den entstehenden Raummodulen arbeiten. Mit Modulen kennt sich das Familienunternehmen aus, seit mehr als 55 Jahren stellt es auf diese Art Gebäude her. Die modulare Bauweise verspricht eine Antwort auf insbesondere zwei Schwierigkeiten zu sein, denen Bauherrinnen und Bauherren sich bei Neubauten gerade ausgesetzt sehen: die Baukosten sind hoch, und die Bauzeit ist lang.

Quelle: Viola Epler

Einfach schön?

Großwohnsiedlungen und die dazugehörigen großmaßstäblichen Geschosswohnbauten, die in vielen europäischen Städten seit den Sechziger- und Siebzigerjahren errichtet wurden, haben das Negativbild von serieller und modularer Architektur nachhaltig geprägt. Die Ansammlung von oft als trist und monoton empfundenen, standardisierten „Betonburgen“ mit geringer Nutzungsmischung und vorgelagerten Parkplatzflächen ist Synonym für einen fehlgeleiteten Wohnungs- und Städtebau geworden. Doch ist das serielle, modulare und systemische Bauen von damals vergleichbar mit dem von heute? Die technischen und gestalterischen Möglichkeiten von heute unterscheiden sich maßgeblich von denen der Vergangenheit. Der Fortschritt in der Fertigungstechnologie sowie die Verbesserung der architektonischen Planungsansätze eröffnen ein weites Spektrum an Gestaltungs- und Nutzungsspielräumen, die auch den weitreichenden Klimazielen entsprechen. Die Digitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle, denn dank moderner Planungstools lassen sich heutige Serien und Systeme in vielfältiger Weise bereits miteinander kombinieren, anpassen und variieren. Diese Flexibilität ermöglicht eine große Bandbreite an architektonischen Formen und Erscheinungsbildern, die sich auch städtebaulich in Bestandsquartiere individuell einfügen können. Verschiedenartige Fassaden-, Wand- und Deckenelemente und -materialien, Farben und Strukturierungen, aber auch der Einsatz von vielfältigen Vor- und Rücksprüngen, Balkonen oder Loggien führt zu einer heterogenen Gestaltung. Die serielle Produktion von Gestaltungselementen in unterschiedlichen Detaillierungsgraden und Maßstäben ist heute längst fester Bestandteil architektonischer Gestaltung geworden – ob im Neubau oder Umbau.

Die Geschichte einer einfachen Idee

Strom vom Dach den Mieterinnen und Mietern zukommen lassen. Klingt einfach. Doch ein Blick in §42 c des Gesetzes „zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung“ zeigt: Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung umzusetzen, ist komplizierter, als es zunächst den Eindruck macht. Wie aus einer einfachen Idee ein etwas aufwendigeres Konstrukt wurde. Wenn die Sonne scheint, wird Wäsche gewaschen. Für viele Eigenheimbesitzende mit Photovoltaikanlage auf dem Dach ist das Alltag. Denn in dieser Zeit bezahlen sie für den Strom keinen Cent, er wird schließlich von der eigenen Anlage produziert und fließt direkt in den Haushaltsstromkreislauf. Über die Jahre rechnet sich die Anschaffung einer solchen Anlage in der Regel. Was bei Eigenheimen funktioniert, muss doch auch bei vermieteten Gebäuden funktionieren, dachte sich nicht nur der Gesetzgeber. Auch die sozial orientierte Wohnungswirtschaft setzte sich für die Umsetzung dieser einfachen Idee „Strom vom Dach für den Haushalt ohne viel Aufwand“ ein. Mit dem so genannten Solarpaket, mehreren Gesetzesinitiativen, die den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigen sollen, führte das Bundeswirtschaftsministerium deshalb die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ ein. „Mehr Solarstrom, weniger Bürokratie“ überschrieb das Ministerium die Pressemitteilung Ende September 2024, nachdem der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hatte, in dem auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung geregelt ist. Ein geringes Maß an Bürokratie? Michel Böhm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, ist davon nicht zu 100 Prozent überzeugt. Böhm hat an zwei Leitfäden zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mitgeschrieben. „Im Gegensatz zu Mieterstrommodellen ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung wirklich einfacher zu händeln. Ein Wohnungsunternehmen muss jetzt nicht mehr alle Anforderungen an einen Energieversor

Quelle: VdW RW

Einfach bauen heißt nicht einfach denken

Florian Dilg war als Leiter einer Taskforce bei der Bundesarchitektenkammer an der Ausgestaltung des Gebäudetyp E beteiligt, wobei er die Schreibweise „Gebäudetyp-e“ vorzieht. Das „e“ im Namen steht für einfach oder experimentell – Ziel ist, beim Bauen künftig auf manche Komfortstandards verzichten zu dürfen und so die Baukosten zu reduzieren. Die Bundesregierung hat die Idee aufgegriffen. In einer digitalen Schalte mit dem VdW erklärt Florian Dilg die Idee und was er von der gesetzlichen Umsetzung hält. Es ist Anfang November 2024, ein Tag, bevor die Bundesregierung den Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E beschließt und dann am selben Abend zerbricht. Florian Dilg kann davon logischerweise nichts ahnen. Der Architekt ist auf einer Baustelle unterwegs und hat sich gerade in den Baucontainer zurückgezogen, um über sein Handy die Fragen des VdW zu beantworten. Herr Dilg, wie würden Sie den Gebäudetyp E erklären? Dilg: Also der Gebäudetyp-e ist auf jeden Fall schon einmal kein Gebäudetyp. Das ist ein Missverständnis, das es oft gibt. Der Gebäudetyp ist ein Planungsansatz, den wir Architekten vorschlagen. Bei diesem Ansatz sind die anerkannten Regeln der Technik und Normen, die auch in den Technischen Baubestimmungen niedergelegt sind, nicht zwingend anzuwenden, solange sie nicht die Schutzziele der Bauordnung, wie etwa die Standsicherheit, gesunde Lebensverhältnisse oder den Brandschutz, betreffen. Der Gebäudetyp-e ist also kein neues Regelwerk, sondern die Befreiung von der zwingenden Einhaltung vieler Regeln. Worauf ist der Gebäudetyp E denn die Antwort? Warum protegiert die Bundesarchitektenkammer diese Idee so stark? Dilg: Der Gebäudetyp ist die Antwort auf eine Situation, in die wir in den letzten Jahren oder Jahrzehnten geraten sind: Wir haben uns in ein enges Geflecht verstrickt aus Richtlinien, anerkannten Regeln der Technik und Normen, die allesamt festlegen, wie ein Gebäude erstellt werden muss.

Quelle: Statement GmbH

Einfach gesagt

Die Kommunikation mit Mieterinnen und Mietern kann schwierig sein. Das kann auch an der Sprache liegen, die Vermieterinnen und Vermieter gebrauchen. Eine mögliche Lösung ist es, so genannte „einfache Sprache“ zu verwenden. Hier finden Sie Beispieltexte aus wohnungswirtschaftlichen Schreiben – und wie sie in einfacher Sprache lauten würden. Gerade in Bezug auf Rechtstexte kann es jedoch ratsam sein, immer auch auf die vor Gericht wirksamen Originaltexte zu verweisen. Definitorisch grenzt man „einfache Sprache“ von „leichter Sprache“ ab. Einfache Sprache richtet sich an ein breiteres Publikum, das Schwierigkeiten mit komplizierten Texten haben könnte. Dazu gehören Menschen mit geringeren Sprachkenntnissen, ältere Menschen oder Menschen mit geringer Bildung.

Quelle: Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG

Mutige Schritte in Witten

Einfach mal loslegen, dachte sich die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG. Denn auch ohne explizite gesetzliche Regelung zum Gebäudetyp E können Bauherrinnen und Bauherren den Gedanken dahinter bereits jetzt umsetzen. Dazu braucht es vor allem eines – Mut. Frank Nolte hat eine Vision: ein qualitativ hochwertiges Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen, die sich viele Menschen leisten können, in denen sie sich wohlfühlen – und deren Bau weitaus weniger kostet als aktuell die Regel. Entstehen sollen sie an der Ecke Kronenstraße/ Jahnstraße in Witten und der Vorstandsvorsitzende der Witten-Mitte eG weiß auch schon, wie die Baukosten sinken können: durch die Idee des Gebäudetyps E.

Thema der Wohnungswirtschaft

N°1/25
Einfach machen