thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Auf dem richtigen Holzweg

Quelle: Martha Sohn / VdW RW
Quelle: VdW Rheinland Westfalen / Martha Sohn

Der richtige Holzweg

Der Standardbau in Deutschland ist massiv – und das hat massive Auswirkungen auf den Klimawandel, weil mit ihm ein enormer Ausstoß an Kohlendioxid einhergeht. Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft und Politik haben deshalb den Weg zurück eingeschlagen: den Weg zum Holz. Wenn es um den Wohnungsbau geht, war das Holz zuerst da. Noch bis zur Jungsteinzeit wohnten etwa die Menschen am Bodensee in den weithin bekannten Pfahlbauten. Inzwischen sind Steine und Beton die weit übe­rwiegenden Baustoffe, wenn es um die Errichtung von Gebäuden geht. Die Folge: 2,8 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr verursacht weltweit alleine die Herstellung von Zement, das sind acht Prozent der gesamten CO2-Emissionen auf der Erde. Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen in Deutschland (DGNB) aus dem Jahr 2021 entstehen bei konventionellen Neubauten 500 bis 800 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter, betrachtet man einen Lebenszyklus von 50 Jahren. Am meisten für diese schlechte Umweltbilanz verantwortlich sind einer Untersuchung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zufolge Zement, Kalk und Gips. Holz hingegen speichert Kohlendioxid. Die eine Baumart mehr, die andere weniger. Je dichter das Holz, desto größer das gespeicherte CO2. Eine 35 Meter hohe Fichte mit einem Holzvolumen von 3,4 Kubikmeter beispielsweise hat in 100 Jahren etwa 2,6 Tonnen CO2 aufgenommen, eine Buche mit demselben Holzvolumen knapp eine Tonne mehr. Von den heimischen Baumarten gehört die Hainbuche zu denen, die am meisten CO2 speichern. Holz möglichst lange nutzen Holz ist deshalb zu schade zum Verbrennen. Feuer setzt das gespeicherte CO2 schließlich wieder frei, wo man es doch so lange wie möglich gebunden halten sollte. Holz ist idealerweise in einer Kaskade zu nutzen: Zunächst als Vollholz in Form von Balken, nach dem Wiederausbau gegebenenfalls als Span verarbeitet, nach erneutem Ausbau in faserbasierten Produkten eingesetzt, später in der chemischen Industrie verwendet.

Quelle: Roland Baege

Vom Wald zur Wohnung

In unseren heimischen Wäldern beginnt eine Reise, die in Wohnquartieren endet. In Solingen sind wir der Spur des Baustoffes Holzes gefolgt – bis nach Münster. Früher Morgen am Solinger Waldrand: Der Nebel hängt zwischen den Bäumen, der Regen fällt in leichten Tropfen und die kühle Luft ist durchzogen von dem erdigen Duft des Waldes. In der Ferne hört man das Knacken der Äste, die sich im Wind biegen. Plötzlich durchbricht das kräftige Geräusch einer Motorsäge die Stille. Mit einem lauten Krachen fällt ein Baum, der Waldboden bebt. Mit diesem Fall tritt das Holz hier, im Staatsforstbezirk Großgrimberg, seine Reise an, die es bis in Wohnquartiere führt – in Form von Häusern, Fassaden und Quartieren. Das Material, das hier geerntet wird, spielt eine Schlüsselrolle im nachhaltigen Bauen. Doch nicht jedes Holz ist geeignet. Welche Holzarten sind besonders gefragt? Warum fällt man Bäume, um umweltfreundlich zu bauen? Und wie trägt dieser Rohstoff zur Entwicklung neuer Stadtviertel wie dem YORK-Quartier in Münster bei? Diese Fragen gehen uns durch den Kopf, als wir an diesem Januarmorgen über den teils matschigen Boden stapfen.„Für den Wohnungsbau braucht man Holz, das stabil, langlebig und widerstandsfähig ist“, erklärt uns Mathias Rümping, Revierleiter im Staatsforstbezirk Großgrimberg. Während er mit geübtem Blick einen frisch gefällten Stamm begutachtet, erläutert er die Unterschiede: „Lärche und Douglasie sind besonders für den Außenbau beliebt. Sie trotzen Wind und Wetter, sind leicht zu verarbeiten und besonders widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit. Fichten können als Konstruktionsholz für Dachstühle eingesetzt werden und Eichen wiederum sind besonders gut als Bau- oder Möbelholz geeignet.“ Welches Holz fürs Bauen genutzt wird, hängt aber nicht nur davon ab. „Besonders bei der Fichte merken wir die Auswirkungen des Klimawandels“, erklärt Rümping. „Die Bäume sind anfällig für Krankheiten und Schädlinge.

Quelle: picture alliance / Hans Lucas | Benoît Durand

Bauen mit schwachem Holz

Eichenschwachholz eignet sich nicht für Konstruktionen und muss deshalb verbrannt werden? Stimmt nicht. Notre-Dame in Paris wurde mit naturgetrockneten und teilweise Schwachholz-Eichenstämmen wieder aufgebaut. Und eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Trier, Freiburg und Mainz haben nun ein Verfahren entwickelt, wie sich solches Holz standardmäßig auch für offene Hallen und Carports einsetzen lässt. Dass er mit seinen 67 Jahren noch einen Nachwuchspreis gewinnen würde, hätte Prof. Dr. techn. Wieland Becker wirklich nicht gedacht. Und doch stand der ehemalige Holzbauprofessor der Hochschule Trier Ende November 2024 in Berlin mit dem jungen Firmengründer von CLTECH Kaiserslautern und dem verantwortlichen Tragwerksplaner des Gesamtprojektes, Michael Bormann, auf der Bühne, um den Nachwuchspreis des Deutschen Ingenieurbaupreises entgegenzunehmen. Basierend auf seinen Forschungsarbeiten zum Thema „Hybride Tragwerke aus Eichenschwachholz“ hat das Holzbauunternehmen eine Halle mit 34 m Spannweite errichtet, deren Dachstuhl mit Eichenschwachholz konstruiert wurde. Eichenschwachholz werden Eichenstämme genannt, die einen Durchmesser zwischen 20 und 30 Zentimeter aufweisen (gemessen auf einer Höhe von 1,80 Meter). Diese Bäume werden von Förstern standardmäßig aus dem Wald entfernt und meist zu Brennholz oder Industrieholz verarbeitet. Das im Holz gebundene CO2 wird normalerweise durch den Kamin ausgestoßen. Für Wieland Becker eine zu eingeschränkte Verwendung. „Jahrhundertelang wurde mit diesem Eichenschwachholz gebaut, Kirchenstühle zum Beispiel“, berichtet er. Auf diese Weise sei auch Notre-Dame wieder aufgebaut worden – in alter Zimmermannstechnik mit naturgetrockneter Eiche auch aus schwächeren Durchmessern. Und diese Konstruktionen hätten Bestand. „Ich habe schon Kirchenstühle begutachtet, die noch Jahrzehnte gehalten hätten, wenn niemand auf die Idee gekommen wäre, dort luftdichte Türen und Fenster einzubauen.“ Voraussetzung: überdacht und „luftumspült“.

Quelle: HGB Hamm

Holz, wo früher Benzin floss

Das Bauprojekt an der Lippestraße in Hamm ist ein wegweisendes Beispiel für seriellen Holzbau im geförderten Wohnungsbau. Die Hammer Gemeinnützige Baugesellschaft hat auf einem ehemaligen Tankstellen- und Werkstattgelände ein nachhaltiges Achtfamilienhaus in Brettsperrholzbauweise errichtet. Mit einer Wohnfläche von 515 m² verteilt auf zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss bietet das Gebäude ein durchdachtes Wohnkonzept, das mit energieeffizienter Bauweise und hohen ökologischen Standards überzeugt. Die städtebauliche Ausgangssituation stellte eine besondere Herausforderung dar. Das Grundstück befand sich zuvor in einem wenig attraktiven Zustand und musste zunächst für die Neubebauung vorbereitet werden. Die Integration des Holzbaus in die bestehende Stadtstruktur war ein zentraler Aspekt der Planung. Durch die kompakte Bauweise konnte das Projekt harmonisch in das Umfeld eingefügt werden, während gleichzeitig ein nachhaltiger Beitrag zur Quartiersentwicklung geleistet wurde. Das Gebäude orientiert sich an den vorhandenen Baulinien und ergänzt das Wohngebiet durch eine moderne, umweltfreundliche Architektur.

Quelle Fotos: GWG Viersen

Bauholz aus dem eigenen Garten

Was ist besser, als mit Holz aus deutschen Wäldern zu bauen? Antwort: Holz aus der eigenen Plantage dafür nehmen. Zumindest für den Innenausbau ist das möglich, wie ein Pilotprojekt in Schwalmtal zeigen soll. Zwischen Feldern und Wiesen im niederrheinischen Schwalmtal wächst ein ungewöhnliches Projekt heran. Wo einst nur Gras war, stehen nun junge Kiri-Bäume in akkuraten Reihen. Die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen AG (GWG) hat hier auf einer 1.465 Quadratmeter großen Plantage rund 100 Paulownia-Jungpflanzen, besser bekannt als Kiri-Bäume, gepflanzt, um künftig eigenes Baumaterial zu gewinnen. Die Idee entstand im Juni 2023 bei einer Veranstaltung des Holzbauunternehmens Derix in Niederkrüchten. Dort wurde die GWG auf das Unternehmen WeGrow aus Tönisvorst aufmerksam, das seit 2009 den Kiri-Baum erfolgreich für die nachhaltige Holzproduktion kultiviert. Nach einem Werksbesuch im Februar 2024 nahm die Zusammenarbeit schnell konkrete Formen an. Gemeinsam wurde ein unbebautes Grundstück in Schwalmtal-Hehler als Plantage genutzt. Mit Unterstützung von WeGrow wurden Setzlinge gepflanzt, die später bis zu 20 Meter hoch und 40 Zentimeter dick werden sollen. Der Kiri-Baum wächst etwa drei Meter im Jahr, doppelt so schnell wie eine Eiche. Nach nur zehn bis zwölf Jahren liefert der Kiri-Baum Holz von beachtlicher Qualität. Seine Leichtigkeit macht ihn besonders für den Innenausbau attraktiv. Zudem speichert der Baum überdurchschnittlich viel CO2 und verbessert die Bodenqualität – eine Eigenschaft, die ihn besonders klimafreundlich macht. Aufgrund seiner Materialeigenschaften wird das Kiriholz unter anderem bei nichttragenden Teilen in der Konstruktion eingesetzt. Bei Decken, Treppen, Fenster, Modulbauten und Tiny Houses können Gewichtseinsparungen von Kiriholz Vorteile hinsichtlich der Gebäudestatik und der Einsparung von Transportkosten bieten. Auch der hohe Däm

Quelle: VdW Rheinland Westfalen / Martha Sohn

Politisch auf dem Weg zu mehr Holz

Vor dem Bauwerk steht das Regelwerk. Und damit bei Bauwerken mehr Holz eingesetzt werden kann, wurde in den vergangenen Jahren auch Hand ans Regelwerk angelegt. So wurde in der Bauordnung von Nordrhein-Westfalen bereits 2018 geregelt, dass Holzbauten bis zur Hochhausgrenze von 22 Metern erlaubt sind. 2021 zog Rheinland-Pfalz nach. Und im Herbst 2024 folgte die neue Muster-Holzbau-Richtlinie. Beton ist robust, Holz brennt – so lautet nicht selten die erste Assoziation zu beiden Baustoffen. Tatsächlich steht der Brandschutz ganz oben auf der Liste der Dinge, die gewährleistet sein müssen, wenn aus Holz Häuser gebaut werden. Und deshalb setzen hier auch die politischen Reformen an, wenn es darum geht, das Bauen mit dem nachwachsenden Rohstoff voranzubringen. Denn nur weil Holz brennen kann, wird aus ihm kein unsicherer Baustoff. Mit modernen Technologien und etablierten Bauweisen lässt sich die Sicherheit und Langlebigkeit von Holzgebäuden auf das gleiche Niveau wie bei anderen Baustoffen bringen. Besonders wichtig für das Bauen mit Holz in NRW ist in dieser Hinsicht Paragraf 26 der Landesbauordnung. Er ist so formuliert, dass auch tragende oder aussteifende und raumabschließende Bauteile, die hochfeuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, in Holzbauweise errichtet werden können. Hiervon ausgenommen sind Flucht- und Rettungswege im Bereich von Treppenräumen und Brandwände in Gebäudeklasse 5. Voraussetzung ist, dass die geforderte Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen werden kann und dass Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchabschnitten übertragen werden können. Die Weiterentwicklung von Produkt- und Systemlösungen des modernen Holzbaus schreitet schnell voran. Um Schritt halten zu können, wurde auf der Bauministerkonferenz im Oktober 2024 die Muster-Holzbau-Richtlinie 2024 verabschiedet. Das bringt weitere Fortschritte. Neu ist, dass man mit Holztafelbau jetzt auch Standardgebäude wie Wohngebäude der Gebäudeklasse 5 bauen darf.

Quelle: GWG Rhein Erft

Drei Fragen an… Klaus Pelzer

Klaus Pelzer ist Geschäftsführer der GWG Rhein-Erft in Hürth. Seine Wohnungsgesellschaft hat inzwischen acht Mehrfamilienhäuser aus Holz errichtet. Mit uns spricht er über die Erfahrungen, die dabei gemacht wurden. err Pelzer, nach der Erfahrung von nun acht errichteten Holz-Mehrfamilienhäusern? Welche Herausforderungen ergeben sich beim Bau eines Hauses aus Holz im Gegensatz zu konventionellen Baustoffen? Der Bau eines Holzhauses bringt erhöhte Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz und Feuchtigkeitsmanagement sowie die Notwendigkeit präziser Planung und spezialisierter Fachkräfte mit sich. Auch Instandhaltung und Mieteraufklärung erfordern mehr Aufwand, etwa bei der Vermeidung von Schäden durch Holzbewegungen oder Feuchtigkeit. Dennoch bietet Holzbau klare Vorteile: Nachhaltigkeit, kurze Bauzeiten und ein besseres Raumklima. Wie unterscheidet sich die Bewirtschaftung eines Holzhausen von der eines konventionellen Hauses? Die Bewirtschaftung eines Holzhauses erfordert mehr Planung, Aufklärung und spezielles Know-how, vor allem bei Instandhaltung und im Umgang mit Mietern. Trotzdem sind die Vorteile, wie eben gesagt, groß. Proaktive Maßnahmen wie Mieterinformationen, Handwerkerschulungen und digitale Tools helfen, diese Potenziale optimal zu nutzen. Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie einen Holzbau planen? Wir würden uns heute noch frühzeitiger mit allen Baubeteiligten abstimmen, Bauprozesse optimieren und klare Standards setzen. Um Herausforderungen zu minimieren, würde der Fokus auf umfassender Mieteraufklärung, digitaler Dokumentation und erfahrenen Partnern liegen.

Holz in Serie

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N°2/25
Auf dem richtigen Holzweg