thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Stadt, Land, Wohnen

Quelle: Martha Sohn / VdW RW
Quelle: Martha Sohn / VdW RW

Stadt, Land, Wohnen

Die wesentliche Aufgabe der sozial orientierten Wohnungswirtschaft ist schnell formuliert: Gutes und bezahlbares Wohnen sichern. Doch wie sie gelöst wird, hängt von den Marktbedingungen vor Ort, dem Mitwirken der Städte und Gemeinden ab. Gleichzeitig erfüllen die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften noch weit mehr Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit. Nehmen wir Köln. Prognosen von IT.NRW zufolge wird die Stadt im Jahr 2050 fünf Prozent mehr Einwohner haben als 2021. Wenn sie denn eine Wohnung finden. Denn der Druck auf den Wohnungsmarkt ist schon jetzt immens, die Interessentenlisten für eine Wohnung sind lang. Die durchschnittliche Miete liegt in der Domstadt laut NRW.BANK bei 13,27 Euro pro Quadratmeter. Im Hochsauerlandkreis sieht es anders aus: Wenn die Vorhersage eintrifft, wohnen hier im Jahr 2050 11,4 Prozent weniger Menschen als 2021. Jede dritte Person in dem Landkreis wird dann laut IT.NRW älter als 65 Jahre alt sein. In Köln ist es zu dem Zeitpunkt nur ungefähr jede fünfte. Die Aufgabe, gutes und bezahlbares Wohnen bereitzustellen, hat in beiden Kommunen gänzlich andere Vorzeichen. Während es in Köln darum geht, möglichst viele bezahlbare Wohnungen zu schaffen und zu erhalten, müssen im Hochsauerland­kreis die Barrieren in vorhandenen Wohnungen abgebaut werden, damit die ältere Bevölkerung weiter in ihrem angestammten Umfeld wohnen kann. Aber auch das zu Preisen, die sich auch weniger wohlhabende Rentnerinnen und Rentner leisten können. Dabei haben die Kommunen selbst den Schlüssel dazu in der Hand, ob sozial orientierte Wohnungsunternehmen und -genossenschaften bezahlbares Wohnen schaffen und erhalten können. Im Vorfeld der kürzlichen Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen im September dieses Jahres hat der VdW Rheinland Westfalen in Positionspapieren aufgezeigt, welche Instrumente die Kommunalpolitik nutzen kann, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. So sollten sie etwa bei ihren baurechtlichen Vorgaben darauf achten, dass günstige Mieten noch im

Quelle: Statement GmbH

Stadt und Land

Die Bedingungen, unter denen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften Aufgaben für die Allgemeinheit erfüllen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Ein Blick in Großstädte, wie beispielsweise Köln, zeigt, dass Bauland knapp und Mieten hoch sind. Und die Prognose lautet: Es kommen noch mehr Einwohner hinzu. Auf dem Land hingegen, hier exemplarisch der Hochsauerlandkreis, kämpfen die Gemeinden darum, ihre Einwohnerstärke zu halten, doch vor allem ältere Menschen bleiben. Der Leerstand ist hoch. Klimaneutrales Wohnen soll gleichwohl auch auf dem Land realisiert werden.

Quelle: WWG Königswinter

Stadtentwicklung mit Weitblick

Von außen wirkt das Gebäude fast schwebend: Der helle Glaskubus auf dem Drachenfelsplateau fügt sich mit Leichtigkeit in das Panorama des Siebengebirges ein. Dort, wo früher ein klobiger Betonbau aus den 1970er-Jahren die Sicht auf das Rheintal verbaut hat, entstand in den letzten Jahren ein Ort, der architektonisch und funktional Maßstäbe setzt. Doch hinter dem ästhetischen Ensemble aus modernem Café, saniertem Altbau und großzügigem Außenraum steckt keine private Investorengruppe – sondern ein Wohnungsunternehmen: die Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Königswinter WWG. Was nach ungewöhnlichem Engagement klingt, ist für die WWG längst kein Sonderfall. Seit ihrer Gründung im Jahr 1953 sorgt sie für die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in der Region. In den 1990er-Jahren kamen auch Aufgaben der Wirtschaftsförderung hinzu. Seitdem setzt sich das Unternehmen gemeinsam mit der Kommune für eine nachhaltige Stadtentwicklung ein. „Natürlich liegt unser Schwerpunkt auf dem Wohnungsbau“, sagt Geschäftsführer Christopher Holderbaum. „Aber wir verstehen uns auch als Mitgestalter der Stadt. Denn wenn es Königswinter wirtschaftlich gut geht, profitieren auch wir.“ Wie breit das Engagement der WWG heute gefasst ist, zeigt sich an einem ihrer ungewöhnlichsten Projekte: der Neugestaltung des Drachenfelsplateaus. wischen Denkmal und Neubau: Die Neugestaltung eines WahrzeichensDer Drachenfels ist monumentaler Bestandteil der Rheinromantik: Hier soll nach mittelalterlicher Sage Siegfried den Drachen getötet haben, um unsterblich zu werden. Unsterblich schien zumindest die Anziehungskraft der alten Burg, die durch die Sage ausgelöst worden ist. Bereits 1834 eröffnete auf dem Drachenfels das erste Gasthaus, mit der Zahnradbahn kam 1883 der Massentourismus. Der Betonbau aus den 1970ern, zuletzt leerstehend und verwahrlost, war vielen in der Stadt ein Dorn im Auge. „Das Gebäude war eine Bausünde“, sagt Michael Bungarz, der seit über zwei Jahrzehnten Pr

Quelle: Wohnbau Mönchengladbach

Lokale Identität erhalten

Sozial orientierte Wohnungsunternehmen und -genossenschaften schaffen mehr als bezahlbare Wohnungen für eine Stadt. Sie erhalten unter anderem identitätsstiftende Gebäude, die Viertel und Menschen prägen. So wie etwa die WohnBau Mönchengladbach, die eine alte Grundschule zu einem Wohnhaus umbaut. An der Knopsstraße im Mönchengladbacher Stadtteil Westend ist das Straßenbild unspektakulär: einfache Wohnbebauung, wenig architektonischer Glanz. Und doch sticht ein Bau deutlich hervor. Zurückgesetzt vom Straßenraum, von altem Baumbestand flankiert, erhebt sich ein historischer Backsteinbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier befand sich einst die evangelische Grundschule – ein Gebäude, das vielen Anwohnerinnen und Anwohnern bis heute etwas bedeutet. „Für viele ältere Menschen aus dem Viertel ist es ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Manche sind selbst dort zur Schule gegangen“, betont Frank Meier, Vorstand und Geschäftsführer der WohnBau Mönchengladbach. „Wenn so ein Gebäude verschwindet, verschwindet oft auch ein Teil des kollektiven Gedächtnisses.“

Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Tour statt Talk

Wer Aufgaben für das Gemeinwesen erfüllt, tut gut daran, im stetigen Dialog mit der Kommunalpolitik zu stehen. So wie die Arbeitsgemeinschaft Hagener Wohnungsunternehmen, die vor der Kommunalwahl einen Rundgang mit den Kandidatinnen und Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt organisierte. Die inhaltlichen Planungen zu einer politischen Talkrunde in der Hagener Stadthalle im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl waren schon weit vorangeschritten und die Location fast gebucht, als sich die Arbeitsgemeinschaft Hagener Wohnungsunternehmen umentschied: Sie luden die Hagener Kandidatinnen und Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt kurzerhand zu einer Sommertour durch die Bestände der Hagener Wohnungswirtschaft ein. Gemeinsam sollten einzelne Projekte und Wohnanlagen der Arbeitsgemeinschaft Hagener Wohnungsunternehmen besichtigt, die dortigen Bau-, Modernisierungs- oder besonderen Gegebenheiten angesehen und erklärt werden. „Beim Durchspielen der ursprünglich geplanten Veranstaltung hatten wir plötzlich einen Aha-Moment: Warum die Leistungen, aber auch die Probleme der sozial orientierten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften nicht gleich vor Ort diskutieren, statt in einer klassischen Talkrunde, bei der in der Regel nur allseits bekannte Positionen und Standpunkte ausgetauscht werden?“, so Christoph Rehrmann, geschäftsführender Vorstand der Gemeinnützigen Wohnstättengenossenschaft Hagen eG (GWG) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Hagener Wohnungsunternehmen. Gesagt getan: Die Hagener Wohnungswirtschaft lud ein und Kandidatinnen und Kandidaten von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und FDP sowie ein parteiloser Kandidat nahmen an. Am 10. Juni 2025 ging es, begleitet durch Radio Hagen, nach einem gemeinsamen Frühstück ab in den Bus und los zu insgesamt fünf Quartieren. Die Teilnehmenden erhielten dort einen umfänglichen Überblick über die aktuellen Herausforderungen im bezahlbaren Wohnungsbau und die Tätigkeiten und Projekte der Hagener Wohnungswirtsch

Quelle: KSG Birkenfeld

„Auch auf dem Land werden die Mieten steigen müssen“

Auch in ländlichen Gebieten müssen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften auf klimaneutrales Wohnen hinarbeiten. Nur unter ganz anderen wirtschaftlichen Bedingungen als in Städten. Im rheinland-pfälzischen Birkenfeld etwa lässt der Wohnungsmarkt kaum Spielraum für Investitionen zu, sagt Michael Schunck, Geschäftsführer der Kreissiedlungsgesellschaft Birkenfeld (KSG). Er berichtet, wie er trotzdem die Wärmewende stemmen möchte. Unser Gebäudebestand, der sich über den Landkreis Birkenfeld verteilt, besteht nahezu ausschließlich aus kleineren Häusern mit zwei bis sechs Wohneinheiten, überwiegend aus den 1950er- bis 1970er-Jahren, unsere Durchschnittsmiete liegt bei etwa 4,80 Euro pro Quadratmeter kalt. Eine neue klimafreundliche Heizung, zum Beispiel eine Wärmepumpe, kostet etwa 30.000 Euro – auf dem Land wie in der Stadt und völlig unabhängig davon, ob mir nun vier Euro oder 20 Euro Mietertrag zur Verfügung stehen. Irgendwie muss ich es refinanzieren – neben den zahlreichen anderen Instandhaltungen, die ein älteres Mietwohnhaus nun mal so verlangt. In der Konsequenz werden also auch bei uns auf dem Land die Mieten steigen müssen, im Verhältnis zur bisherigen Miete prozentual wohl sogar viel stärker als in Städten. Das gilt auch für unseren Bestand, dabei kalkulieren wir als kommunalnahes Unternehmen schon immer nur mit einer schwarzen Null, also nicht mit hohen Gewinnen. Leider leistet uns die Mietwohnraumförderung auch keine wirkliche Hilfe. Unsere Region ist in eine niedrige Mietenstufe eingruppiert, womit die Fördermiete für untere Einkommen auf 5,30 Euro begrenzt ist. Damit ist noch nicht einmal eine schwarze Null hinzubekommen. chunck: Ich muss meinen Vorgängern im Amt dankbar sein, dass sie in weiser Voraussicht bereits Ende der 1990er-Jahre mit der Wärmedämmung des Gebäudebestands begonnen haben. Stand heute sind deshalb bereits rund 90 % unserer 148 Wohnhäuser gedämmt, wenn auch nicht unbedingt nach neuestem energetischen Standard. Damit verfügen wir zunäc

„Die Politik muss endlich liefern“

Quelle: Martha Sohn / VdW RW

Bauland: Kooperation statt Konkurrenz

Sozial orientierte Wohnungsunternehmen sind auf die Hilfe von Städten und Gemeinden angewiesen, wenn sie bezahlbares Wohnen ermöglichen sollen, gerade in der Baulandentwicklung. Städte und Gemeinden sollten dabei über Gemeindegrenzen hinweg zusammenarbeiten. Doch noch ist das selten der Fall. Die aktuellen Wohnungsnachfrageprognosen weisen in Abhängigkeit der jeweiligen Annahmen, insbesondere zur künftigen Auslandswanderung und bestehenden Nachholeffekten, Unterschiede auf. Sichtbar ist allerdings gegenüber den vergangenen Jahren eine demographisch bedingte Abschwächung der Nachfrage. Entscheidend bei der Betrachtung der Knappheiten an den Wohnungsmärkten ist jedoch nicht die durchschnittliche bundesweite Entwicklung, sondern die räumliche Differenzierung. Dabei sind nicht nur die kontrastierenden regionalen Trends zwischen den wachsenden Großstädten und schrumpfenden ländlichen Regionen relevant, sondern insbesondere die Differenzierung innerhalb von Großstadtregionen. Absehbar ist von einer Verstärkung innerregionaler Diskrepanzen auszugehen.

Thema der Wohnungswirtschaft

N°4/25
Stadt, Land, Wohnen