
Was vom
Gebäude
übrig bleibt
Wo hört Abfall auf, wo fängt Baustoff an? Barbara Grunewald vom Verband der Bau und Rohstoffindustrie (vero) berichtet, wie aus abgerissenen Gebäuden Recycling-Baustoffe entstehen.
Gastbeitrag von Barbara Grunewald, Verband der Bau- und Rohstoffindustrie e.V. (vero)
Barbara Grunewald ist seit Juli 2021 Geschäftsführerin Technik des vero und leitet unter anderem dessen Fachgruppe Recycling-Baustoffe. Die studierte Chemieingenieurin (Schwerpunkt: Materialeigenschaften) war zuvor Projektleiterin in der Prüfstelle für Bauprodukte am IKT Institut für Unterirdische Infrastruktur.
Wer schon einmal gebaut hat, weiß: Bauen ist teuer. Denn viele wertvolle Bau- und Rohstoffe stecken in einem Bauwerk. Doch was passiert mit diesen wertvollen Bau- und Rohstoffen, wenn das Bauwerk sein Lebensende erreicht? Das Bauwerk wird abgerissen und der anfallende Bauschutt wird entsorgt. Da hier in der Regel ein Entledigungswille vorliegt, handelt es sich hierbei rein gesetzlich gesehen um Abfall.
von Barbara Grunewald
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz fordert eine möglichst hochwertige Verwertung von Abfällen bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt. Es sieht folgende Rangfolge bei der Vermeidung und der Abfallbewirtschaftung vor: 1. Vermeidung, 2. Vorbereitung zur Wiederverwendung, 3. Recycling, 4. sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung und 5. Beseitigung.
Um diese Rangfolge am besten gewährleisten zu können, ist eine gute Vorerkundung und ein selektiver Rückbau von essenzieller Bedeutung. Schadstoffe sollen gezielt ausgeschleust werden und möglichst viele Bauteile oder Materialien sollten einer Wiederverwendung (Wiedereinsatz für denselben Zweck), dem Recycling (aufbereitete Stoffe ersetzen einen Teil des Rohstoffes des ursprünglichen Produktes oder werden für andere Zwecke mit definierten Eigenschaften eingesetzt) oder einer Verwertung zugeführt werden.
Im Jahr 2019 hat die Deutsche Baustoff- Steine-Erden-Industrie rund 578 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen. Der größte Anteil rund 80 % entfällt auf die Rohstoffe Steine und Erden. Der überwiegende Teil des Bedarfs an Steinen und Erden wird aus heimischen Quellen gedeckt. In Nordrhein-Westfalen werden Sand und Kies vielfach am Niederrhein und im Rheinischen Revier gewonnen. Naturstein bzw. Festgestein wird in der Eifel und im Sauerland in den Steinbrüchen gewonnen.
Die für den Bau verwendeten Rohstoffe verbleiben oft Jahrzehnte im entsprechenden Bauwerk. Bei Erreichen des Lebensendes werden die Bauwerke abgerissen. Mineralische Bauabfälle stellen in Deutschland den größten Abfallstrom dar. Im Jahr 2020 sind 220,6 Millionen Tonnen solcher mineralischen Bauabfälle angefallen (Abb. 1).
Abb. 1
Die Quoten für das Recycling, die Verwertung und die Beseitigung sind in den jeweiligen Fraktionen von mineralischen Bauabfällen sehr unterschiedlich. Die größte Fraktion „Boden und Steine“ mit 129,2 Millionen Tonnen wurde in 2020 zu 14,3 % einer Beseitigung zugeführt, zu 75,1 % verwertet (in übertägigen Abgrabungen) und zu 10,6 % recycelt. Der Bauschutt stellt mit 60 Millionen Tonnen die zweitgrößte Fraktion der mineralischen Bauabfälle dar. 2020 wurden nur 5,5 % einer Beseitigung zugeführt, 15,7 % verwertet und zu 78,8 % recycelt (Abb. 2 und 3).
In entsprechenden Aufbereitungsanlagen können aus den mineralischen Bauabfällen die Recycling-Baustoffe hergestellt werden. Im Rahmen der Güteüberwachung werden in regelmäßigen Abständen die bautechnischen und umweltrelevanten Eigenschaften dieser Recycling-Baustoffe untersucht.
Die Anforderungen an die Bautechnik sind in den technischen Regelwerken (FGSV-Regelwerke, DIN-Normen) definiert – und sie unterscheiden sich übrigens nicht zu den Primärrohstoffen. Die umweltrelevanten Eigenschaften für den Tiefbau werden seit dem 1. August 2023 durch die bundesweit geltende und rechtsverbindliche Ersatzbaustoffverordnung (EBV) definiert. Für den Hochbau gibt es hier teilweise auch Anforderungen in DIN-Normen wie zum Beispiel für rezyklierte Gesteinskörnungen für Beton (DIN 4226-101).
Die bautechnischen und umweltrelevanten Eigenschaften zusammen bestimmen dann die Einsatzmöglichkeiten der Recycling-Baustoffe.
2020 wurden 50,3 % der hergestellten Recycling- Baustoffe im Straßenbau eingesetzt, 19,5 % in der Asphalt- und Betonherstellung und 17,7 % im Erdbau. Die so eingesetzten Recycling- Baustoffe bekommen ein neues Leben in einem Bauwerk und können so Primärrohstoffe ersetzen. 2020 deckten die Recycling- Baustoffe 13,2 % des Bedarfs an Gesteinskörnungen. Industrielle Nebenprodukte wie bestimmte Schlacken und Aschen können ebenfalls als Ersatzbaustoffe eingesetzt werden und deckten 2020 3,9 % des Bedarfs an Gesteinskörnungen. So schließt sich der Kreis.
Trotz der Schonung der natürlichen Ressourcen und der Förderung der Kreislaufwirtschaft haben Recycling-Baustoffe ein Imageproblem, da diese aus Abfällen gewonnen werden. Keiner möchte sein Haus mit Abfällen bauen. Außerdem wird es den Bauherren zu einfach gemacht, Recycling-Baustoffe in Ausschreibungen auszuschließen.
Abb. 2
Abb. 3

Doch sind Recycling-Baustoffe überhaupt Abfälle?
Die EBV spricht hier gar nicht mehr von Abfällen, sondern von der Herstellung mineralischer Ersatzbaustoffe (MEB). Dieser Begriff wurde für die Verordnung eigens kreiert. Viele haben sich hier auch eine Klarstellung gewünscht, ob und welche MEB das Abfallende erreichen können. Mangels eines gemeinsamen Konsenses gibt es in der EBV und auch in der ersten Novelle diese angedachte und gewünschte Regelung aber nicht. Es bleibt aktuell nur, die Kriterien in der Definition des Abfallendes des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) auf die MEB zu übertragen.
Demnach endet die Abfalleigenschaft eines Stoffes, wenn dieser ein Recycling oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, eine Nachfrage nach ihm besteht, er alle für die Zweckbestimmung geltenden technischen und rechtlichen Vorschriften erfüllt und seine Verwendung nicht schädliche Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt hat. Das trifft auf aufbereitete, in einem Gebäude verbaute Recycling-Baustoffe zu – sie sind also kein Abfall mehr. Leider folgen nicht alle Bauherren dieser Argumentation.
Doch sind Recycling-Baustoffe überhaupt Abfälle?
Die öffentliche Hand kann und sollte hierbei aber unbedingt eine Vorreiterrolle einnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Gemäß KrWG § 45 Absatz 2 soll die Öffentliche Hand bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen unter anderem recyclierten Erzeugnissen den Vorzug geben. Leider ist dieser Paragraph nicht justiziabel.
Die Balance zwischen Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz
Bei der Bewertung von MEB ist eine gute Balance zwischen dem Schutz von Mensch, Boden und (Grund-)Wasser und der Förderung der Kreislaufwirtschaft und der Ressourcenschonung
wichtig. Mineralische Ersatzbaustoffe sollten da, wo sie anfallen und aufbereitet werden, ökonomisch und ökologisch sinnvoll eingesetzt werden. Sie sollten nicht quer durch das Land gefahren werden, um zum Beispiel eine bestimmte Quote zu erfüllen.
Ebenso ist das Verwenden von nur bestimmten Materialströmen und Qualitäten zur Schließung einzelner weniger Stoffkreisläufe
kritisch. Die MEB müssen in ihrem zweiten Leben nicht den gleichen Zweck erfüllen wie im ersten Leben. Der Einsatz von Recycling- Baustoffen bedarf immer einer ganzheitlichen Betrachtung.

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