
NEUE GESICHTER
Menschen ändern sich, auch die in Unternehmen. Die Generation Z hat sich kaum eingearbeitet, da klopft bald schon die Generation Alpha an die Unternehmenstür. Falls denn jemand klopft. Die Anzahl der Bewerbungen jedenfalls wird aller Wahrscheinlichkeit nach weiter abnehmen.
Dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge verlassen im kommenden Jahrzehnt fünf Millionen Menschen mehr den Arbeitsmarkt als in ihn eintreten. Rein quantitativ bedeutet der Fachkräftemangel also, dass weniger Menschen zur Verfügung stehen. Aber auch die Anforderungen, die mit der Arbeitsstelle verbunden sind, passen immer weniger zu den Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber – Fachkräftemangel ist demnach auch ein qualitatives Problem.
Eklatant zeigt sich dies beim Bau: Für 90,3 Prozent der Stellen in der Bauplanung und -überwachung gab es im Januar 2024 laut IW keine entsprechend qualifizierten Arbeitslosen. In der Bauelektrik lag diese so genannte Stellenüberhangsquote bei 81,7, in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bei 78,1. Der aktuelle Einbruch an Aufträgen im Wohnungsbau, der insbesondere Bauträger und Bauunternehmen trifft, könnte Dirk Werner zufolge, Leiter des Themenclusters Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte beim IW, die Situation für die Wohnungswirtschaft etwas entspannen. „Das kommt darauf an, wie lange die Krise andauert und ob die Firmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten können. Am Arbeitsmarkt zeigt sich diese Entspannung aber noch nicht“, sagte er am Rande des 11. Forums Personal Anfang März 2024 in Düsseldorf, das von den Regionalverbänden der Wohnungswirtschaft mitveranstaltet wird.
Vermisstenmeldung
Bewerberinnen und Bewerber und die Anforderungen der Stelle am stärksten auseinanderfallen, zeigt der Human Resources Monitor Immobilienwirtschaft 2023, für den das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) Verantwortliche in der Wohnungswirtschaft befragt hat. Demnach vermissen 51 Prozent der Befragten Fachkompetenz bei den Jobaspiranten, gefolgt von Flexibilität (48 Prozent), Einsatzbereitschaft (37 Prozent) und Kompetenzen in der IT (36 Prozent). Einsatzbereitschaft vermissen 24 Prozent der befragten Verantwortlichen sogar bei Bewerberinnen und Bewerbern um Führungspositionen.
Was also tun? Darauf gibt es mehrere Antworten. Eine davon ist, sich neuen Zielgruppen zu widmen und diese zu kennen. Denn nur wer weiß, was der Mensch möchte, dessen Arbeitskraft man für sich gewinnen möchte, kann ihm dies auch bieten.
Menschen verschiedener Generationen ticken anders: Das Arbeitsethos früher Tage, geprägt von dem Gedanken, dass es den Kindern einmal besser gehen solle, wurde längst abgelöst durch den Wunsch, sich das Leben so zu gestalten, dass es einem selbst gut geht. Die oft zitierte Work-Life-Balance muss stimmen. Das ist allerdings oft verbunden mit dem Streben nach Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, etwa indem die eigene Arbeit dazu beiträgt, die Welt besser zu machen, sie zu erhalten.
«Das größte Potenzial für den Arbeitsmarkt sind Frauen, die aktuell in Teilzeit arbeiten.»
– Dirk Werner
Blick ins Ausland
Eine Zielgruppe, die zunehmend ins Blickfeld gerät: ausländische Fachkräfte. Erste Wohnungsunternehmen haben in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit die nationalen Grenzen auf der Suche nach Fachkräften bereits hinter sich gelassen: Vonovia hat 15 Elektronikerinnen und Elektroniker und acht Gärtnerinnen und Gärtner aus Kolumbien eingestellt; Vivawest beschäftigt drei Elektroniker aus Jordanien. Für die Männer und Frauen aus der Ferne bedeutet die Arbeit in Deutschland einen Neuanfang im ungewohnten Umfeld, für die Wohnungsunternehmen ist es eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Noch mehr Erfolg verspricht eine andere Gruppe auf dem Arbeitsmarkt: „Das größte Potenzial für den Arbeitsmarkt sind Frauen, die aktuell in Teilzeit arbeiten“, sagt Dirk Werner vom IW. Nicht selten kommen jene Frauen aus der Familienphase, in denen sie mehr Zeit für die Betreuung ihrer Kinder aufgebracht haben, und könnten nun eigentlich beruflich wieder mehr Zeit investieren, was viele von ihnen auch wollen.
Viele Frauen gehören auch zur so genannten „Stillen Reserve“. Im Jahr 2023 wünschten sich in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (Destatis) fast 3,2 Millionen Nichterwerbspersonen im Alter von 15 bis 74 Jahren Arbeit. Diese „Stille Reserve“ umfasst Personen ohne Arbeit, die zwar kurzfristig nicht für den Arbeitsmarkt verfügbar sind oder momentan nicht aktiv nach Arbeit suchen, sich aber trotzdem Arbeit wünschen. Allerdings sagt Destatis zufolge rund ein Drittel der Frauen in der „Stillen Reserve“ im Alter zwischen 25 und 59 Jahren, dass Betreuungspflichten sie von der Aufnahme einer Arbeit abhalten. Deshalb sollten, so das Forschungsinstitut InWIS im besagten Human Resource Monitor, Wohnungsunternehmen auch flexiblere Arbeitszeitmodelle und das Führen in Teilzeit erproben, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und so Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, ist das eine, sie erfolgreich nach außen zu kommunizieren, das andere. Im besten Falle haben potenzielle Bewerberinnen und Bewerber gleich ein positives Image vor Augen, wenn sie an das Unternehmen denken – das Unternehmen hat dann eine Arbeitgebermarke. Diese zu erschaffen, heißt auf Neudeutsch: Employer Branding. Dabei gilt es oft, sich bewusst zu machen, welche Dinge das Unternehmen bereits ausmachen, zu sammeln, was bereits an Arbeitgeberleistungen da ist, wie Vera Koltermann, Dozentin an der Akademie der Ruhr-Universität Bochum, feststellt. Die Wohnungswirtschaft ist da in der Regel gar nicht schlecht aufgestellt.
Vor der Suche nach Personen aber sollten sich Wohnungsunternehmen und -genossenschaften laut Rüdiger Grebe, Leiter der Akademie des Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ), die Frage stellen, nach was sie genau suchen. Also: Welche Fähigkeiten und Kompetenzen benötigt das Unternehmen in fünf bis zehn Jahren? Nicht jede Stellenbeschreibung passt da in die Zeit, gerade digitale Kompetenzen sind gefragt, auch der Weg zum klimaneutralen Wohnen muss gemanagt werden. Möglicherweise müssen dafür auch die Strukturen im Unternehmen angepasst, abteilungsübergreifend in Teams gearbeitet werden. Bereits angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen neue Kompetenzen, müssen auf dem Weg dahin aber mitgenommen werden. Unter Umständen bedarf es keiner neuen Gesichter im Unternehmen, um die neuen Aufgaben zu bewältigen. Manche Mitarbeiterin, mancher Mitarbeiter muss künftig aber vielleicht ein neues Gesicht zeigen.

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Neustart
Manchmal hilft nur noch ein Neustart. Das gilt für die Wohnungspolitik auf Bundesebene genauso wie bei der Überplanung eines städtischen Quartiers oder in anderen wohnungswirtschaftlichen Zusammenhängen. Auf einmal tut sich gar nichts mehr, der Mauszeiger bewegt sich nicht mehr, das Bild auf dem Monitor ist eingefroren, der Computer ist abgestürzt. Nutzerinnen und Nutzer kennen diese Systemabstürze, oft hilft die Tastenkombination „Strg/Alt/Entf“, um den Computer neu zu starten. Und im besten Fall läuft er danach wieder stabil. Eine Art Systemabsturz hat im vergangenen Jahr auch die alte Bundesregierung erlebt. Nach Neuwahlen wurde Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt, seitdem regieren CDU/CSU und SPD das Land und bestimmen auch die Wohnungspolitik. In ihrem Koalitionsvertrag haben die Parteien einige Aussagen getroffen, welche die sozial orientierte Wohnungswirtschaft positiv gestimmt haben. Sie haben das Ziel, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, eher erreichbar erscheinen lassen, als dies unter der Ampel-Regierung der Fall war. Auch Marion Sett, Präsidentin des VdW Rheinland Westfalen, teilt diese Hoffnung, wie in einem Interview mit ihr in dieser Ausgabe zu lesen ist. Sie begrüßt etwa den im Vertrag vereinbarten „Wohnungsbau-Turbo“, mahnt aber: „Ohne politischen Umsetzungswillen bleibt er ein leeres Versprechen.“ In der Wohnungswirtschaft sind Neustarts keine Seltenheit. In Paderborn etwa wurden mit dem Teilabzug der britischen Armee große Gebiete in der Stadt frei, die jetzt nach und nach neu genutzt werden. Auf dem Gelände der Alanbrooke-Kaserne entsteht aktuell ein neuer Stadtteil. Um die vorgesehenen öffentlich geförderten Wohnungen zu bauen, hat die Stadt eigens vor ein paar Jahren ein Wohnungsunternehmen gegründet. Oder die Einführung einer neuen ERP-Software, gewissermaßen dem zentralen Nervensystem, wenn es um die betriebswirtschaftliche Bilanz geht: Auch hier besteht der Neustart in einem umfangreichen Prozess, der möglichst genau geplant werden so

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Die Wohnungspolitik braucht ein mutiges Software-Update
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