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Pressemitteilung

Politische Vorgaben bremsen bezahlbares klimagerechtes Bauen und Wohnen in NRW

12. September 2023

Nachdem es bereits wegen der aktuellen Baubedingungen vielfach zu Investitionsausfällen gekommen ist, drohen Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die EU-Gebäuderichtlinie hohe Investitionen auszulösen, die die 477 sozial orientierten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr stemmen können. Ein klimaneutrales Wohnen bis 2045 – zu bezahlbaren Mieten – rückt damit in weite Ferne. Davor warnte der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen auf seiner Jahrespressekonferenz am 12. September 2023 in Düsseldorf.

Insgesamt sei die Branche stark verunsichert, sagt Alexander Rychter, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen: „Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft ist in ihrem unternehmerischen Handeln massiv eingeschränkt. Die Folgen von Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und anderen Vorgaben im Rahmen von Energiewende und Klimaschutz sind finanziell nicht umsetzbar. Wohnungsbestände zu dekarbonisieren und gleichzeitig Mieten bezahlbar zu halten, ist derzeit so gut wie nicht zu schaffen.“ Und diese unsichere wirtschaftliche Lage zeigt sich schon jetzt: Im ersten Halbjahr 2023 erteilten die nordrhein-westfälischen Bauämter Baugenehmigungen für 21.211 (2022: 31.484) Wohnungen. Das entspricht einem Rückgang von 32,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter

Die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften wollen bezahlbare klima- und generationengerechte Wohnungen bauen. Die Baubedingungen führen aber vor allem im Neubau zum Einbruch bei den Investitionen. In einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern gab die Mehrheit der befragten Unternehmen an, Neubauprojekte aufzuschieben oder zu stoppen. Auch im Bereich des öffentlichen geförderten Wohnungsneubaus erklärten über 40 Prozent, geplante Investitionen zurückzustellen. Und die Gründe dafür sind vielfältig: steigende Baustoffpreise, Zinserhöhungen, mangelnde Handwerkerkapazitäten, Probleme in den Lieferketten.

„Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft steht vor immer größeren Herausforderungen. Schon ohne die gestiegenen Energiepreise, das Heizungsgesetz und die Pläne zur Gebäudesanierung auf europäischer Ebene war das Investitionsumfeld für die Wohnungswirtschaft bescheiden“, so Rychter. Und dennoch setzen sich die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften im VdW Rheinland Westfalen dafür ein, ihre Bestände klimagerecht zu machen. Zwischen 2016 und 2022 hatte noch fast eine Verdopplung der Investitionen in Neubau und Bestand stattgefunden. Nachdem die Investitionen in den Jahren 2019 bis 2021 stark gestiegen waren, stagnierten sie 2022, allerdings auf hohem Niveau. Insgesamt investierten die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften 2022 rund 3,98 Milliarden Euro in den Neubau, die Instandhaltung und die Modernisierung von bezahlbaren Wohnungen.

Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft trage das Ziel der Bundesregierung mit, bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen und die Wärmewende aktiv mitzugestalten. Und dazu gehöre auch die Umstellung von Heizungen auf klimaneutrale Brennstoffe oder Grün-Strom, sagt Rychter. Fast zwei Drittel der befragten Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften des VdW setzen bei aktuellen und kurzfristig geplanten Modernisierungsmaßnahmen auf die Wärmepumpe.

Ein reales Beispiel aus dem Verbandsgebiet

Die Wohnungsgenossenschaft hat rund 1.800 Wohnungen mit insgesamt fast 120.000 Quadratmetern Wohnfläche. Sie heizt aktuell zu 86 Prozent mit Gas, 2 Prozent mit Öl, 1 Prozent mit Holz und 11 Prozent mit Strom (nach aktuellem Strommix). Bei einem Energieverbrauch von 132,8 kWh/qm und Jahr entstehen so Emissionen von 3.520,35 Tonnen CO2 pro Jahr. Bis 2045 soll dieser Wert auf null fallen. Auf die Beispielgenossenschaft kämen bis 2045 Investitionen in Höhe von über 29,3 Millionen Euro zu, um ihren Bestand vollständig mit Wärmepumpen auszustatten (ohne Förderung).

„Das wäre die reine Umstellung auf die Wärmepumpe, der Bestand wäre noch nicht energetisch und schon gar nicht altersgerecht saniert“, fasst Rychter die Situation der Baugenossenschaft zusammen. „Das Eigenkapital der Baugenossenschaft liegt bei rund 32 Millionen Euro. Sie müsste, nur um auf Wärmepumpen umzustellen, beinahe ihr gesamtes Eigenkapital aufbrauchen.“

In den engen politischen Grenzen sei der Weg zur Klimaneutralität nicht zu erreichen, schließt Rychter. Es drohe eine finanzielle Überforderung für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft und ihre Mieterinnen und Mieter, wenn die Förderung für diese Transformation – nicht zuletzt im bevölkerungsreichen und wirtschaftsstarken Bundesland Nordrhein-Westfalen – nicht ausgeweitet wird. Allein für Deutschland müssten die Investitionen in energetische Sanierung von derzeit knapp 50 auf 187 bis 261 Milliarden Euro pro Jahr steigen, je nach verordneter Sanierungstiefe in der EU-Gebäuderichtlinie. „Die Frage um die Zukunft des klimaneutralen Heizens ist eng verzahnt mit der Perspektive eines klimaneutralen Gebäudebestands. Als sozial orientierte Wohnungswirtschaft plädieren wir für die beste Lösung im Sinne von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen“, sagt Rychter. „Es mangelt nicht an Gestaltungswillen, aber an Vorstellungsvermögen, wie rund 3,95 Millionen Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen in Rekordtempo vollständig energetisch ertüchtigt und emissionsseitig auf null gefahren werden sollen“.

Insgesamt also mehr als trübe Aussichten in einer verantwortungsbewussten Branche, deren Grundaufgabe es ist, bezahlbare Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung bereitzustellen. VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter rechnet mit einem weiteren starken Rückgang der Wohnungsbauzahlen: „Nach allem, was mir Wohnungsunternehmen und -genossenschaften vor Ort berichtet haben, liegen zahlreiche Planungen auf Eis. Der Bau bezahlbarer Wohnungen wird nach meiner Einschätzung 2024 und 2025 weit hinter den benötigten Zahlen zurückbleiben. Die Modernisierung und Weiterentwicklung der Bestände und damit das gute, klimagerechte, energieeffiziente, barrierefreie und moderne Wohnen bleibt Wunschdenken. Die Unternehmen und Genossenschaften verschieben Modernisierungsmaßnahmen und die, die durchgeführt werden, werden oft in ihrer Maßnahmentiefe deutlich reduziert.“

Die Forderungen der NRW-Wohnungswirtschaft

Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft ist Teil der Lösung, nicht des Problems: Investitionen in einen klimaneutralen Gebäudebestand kosten Geld. Die aktuellen wohnungs- und baupolitischen Vorgaben überfordern Mieter- und Vermieterseite gleichermaßen. Für das Anstreben einer einseitig hohen Gebäudeeffizienz sind finanzielle Mittel weder bei den Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, noch bei den Mieterinnen und Mietern vorhanden. Gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung des notwendigen Klimaschutzes gibt es nur, wenn der Gebäudesektor ganzheitlich betrachtet wird.

  • Es bedarf eines verlässlichen und auskömmlich finanzierten Fördersystems für den Heizungstausch.
  • Mieterhaushalte und Wohnungswirtschaft dürfen bei der Förderung nicht benachteiligt und damit zu Verlierern der Energie- und Wärmewende gemacht werden.
  • Eine Harmonisierung von GEG, BEG-Förderung sowie Wärmeplanungsgesetz ist zwingend notwendig.
  • Eine ausreichende Förderung muss gesetzlich für mindestens zehn Jahre garantiert werden. Ohne bedarfsgerechte Förderung sind die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften nicht handlungsfähig.
  • Quartiersansatz statt technischer Sanierungszwang: Die EU-Gebäuderichtlinie muss mit nationaler Gesetzgebung verzahnt werden – energetische Gebäudesanierung und Austausch der Heizungen müssen aufeinander abgestimmt sein.

Dass sie ihren Auftrag, bezahlbare Wohnungen zu schaffen, ernst nehmen, erkennt man an den Durchschnittsmieten der Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften im VdW Rheinland Westfalen. Diese lagen im Jahr 2022 in Nordrhein-Westfalen bei 6,13 Euro pro Quadratmeter und damit weiterhin unter dem Landesschnitt im Markt von sieben Euro. Im Jahr 2022 haben VdW-Mitglieder 40 Prozent aller Wohnungen verantwortet, die durch die Wohnraumförderung NRW mit einer Mietpreisbindung belegt wurden.

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