Wer macht Tempo beim Zirkulären Bauen?
Um die Ressourcenwende in der Bau- und Immobilienwirtschaft voranzutreiben, haben sich eine Reihe von PropTech-Start-ups gegründet, die das Zirkuläre Bauen erleichtern wollen. Die thema Redaktion nimmt drei Beispiele unter die Lupe: Madaster, Concular und BauKarussell, der erste österreichische Anbieter für den verwertungsorientierten Rückbau.
PropTech-Start-ups im Portrait
Madaster – Das Kataster für Materialien und Produkte
Die LKWs, die hier ankommen, sind mit Böden und Bauschutt aus dem Straßen- und Tiefbau beladen, aber auch mit abgebrochenen alten Gebäuden aus der unmittelbaren Region. „Wir dokumentieren die Abfallkategorie, die Herkunft und eventuelle Vorerkundungen. Im Grunde fungieren die Mitarbeitenden hier als ‚Türsteher‘ für die entsprechenden Eingangsmaterialien.“ Explizit nicht zu den Eingangsmaterialien gehören asbesthaltige Materialien, pech- oder teerhaltiger Straßenaufbruch, gipshaltige Baustoffe oder mineralische Dämmstoffe.
Madaster ist eine globale Online-Plattform mit Ursprung in den Niederlanden mit dem Ziel, den zirkulären Einsatz von Produkten und Materialien in der Bauwirtschaft zu ermöglichen. Mithilfe einer digitalen Plattform können Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer und Unternehmen Daten ihrer Immobilien speichern, verwalten, anreichern und austauschen. Madaster hat den Ansatz, als Teil eines ganzen Ökosystems zu fungieren und eine Schnittstelle für Immobilienwirtschaft, Wissenschaft, Produktherstellern, Recyclingindustrie und anderen digitalen Plattformen zu BIM und Bauprodukten zu bilden. Durch ein zukunftsorientiertes Baudesign sollen die Gebäudeinformationen nicht in Vergessenheit geraten und Bauteile so zurückgebaut werden, dass sie wieder eingesetzt werden können, um CO2 einzusparen und die Abfallwirtschaft zu entlasten.
„Unser Materialkataster soll als Hebel für echte Kreislaufwirtschaft im Gebäudesektor dienen“, erläutert Dr. Patrick Bergmann, Geschäftsführer von Madaster Deutschland.
„Wir dokumentieren Bauteile und Materialien in Gebäuden, geben Fassaden oder Dachfenstern sozusagen eine Identität, damit sie nach Rückbau oder Sanierung wiederverwendet werden.“
Zu den Kunden von Madaster zählen in Deutschland mittlerweile mehr als 140 Unternehmen, Städte und Kommunen. Gleichzeitig nutzt die öffentliche Hand das Materialkataster, u. a. Kreis Viersen, Kreis Lippe, Heidelberg, Duisburg, München und Hebertshausen.
Concular – Plattform für zirkuläres Bauen
Concular ist eine digitale Plattform für ressourceneffizientes Bauen. Materialien in Bestandsund Neubauten werden mittels Material- bzw. Gebäudepässen digitalisiert und in einer Materialdatenbank zur Verfügung gestellt. Bauherren, Projektentwickler und andere interessierte Unternehmen mit Materialbedarf erhalten mittels einer Datenbank Zugang. Wenn Angebot und Nachfrage übereinstimmen, verantwortet Concular den Transport der rückgebauten Materialien zur neuen Baustelle. Dabei werden die CO2-Einsparungen und das Abfallaufkommen ermittelt. Concular ist eine Weiterentwicklung von restado, einem Markplatz für wiedergewonnene Baustoffe.
„Wir wollen den Gebäudesektor von Grund auf transformieren. Wir arbeiten an einer Zukunft ohne Abfall“, erklärt Mitgründer und Geschäftsführer Dominik Campanella. „Mithilfe unserer vernetzten Software-Lösung können wir Ökobilanzen, Zirkularität, Kosten und ESG-Compliance optimieren – bei Neubauten, Sanierungen oder Rückbauten.“ Concular bietet den digitalen Gebäuderessourcenpass, zur Datenanalyse für Entscheidungsfindung, zur Messung von Auswirkungen und zur Optimierung des Materialkreislaufs.
Die Concular GmbH hat sich 2020 in Berlin gegründet und ist angetreten, digitale Ökosysteme für Zirkuläres Bauen zu erschaffen. Inzwischen hat Concular 55 Mitarbeitende, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien und Portugal arbeiten.
BauKarussell – Social Urban Mining
Das österreichische Unternehmen BauKarussell versteht sich als einziger Anbieter im „Social Urban Mining“ im deutschsprachigen Raum. Es arbeitet ausschließlich mit lokalen sozialwirtschaftlichen oder integrativen Betrieben sowie Jugendprojekten zusammen.
„Wir verkaufen nichts, sondern bringen Beschäftigung, Teilqualifizierung gegen den Fachkräftemangel und kreislaufwirtschaftliche Wertschöpfung, die sich in der Regel selbst finanziert, zusammen“, sagt Thomas Romm, Architekt und Gründungsmitglied. Die operativen Arbeiten werden von Arbeitskräften aus sozialwirtschaftlichen Unternehmen durch geführt, die damit Qualifizierung, Jobtraining und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten.
In Zusammenarbeit mit großen Wiener Bauträgern werden im Bereich des abbruchvorbereitenden Rückbaus wiederverwendbare Bauteile und Komponenten ausgebaut und im Neu- oder Umbau zur Verfügung gestellt. Parallel dazu werden recyclingfähige Baustoffe manuell getrennt und der stofflichen Verwertung zugeführt. Das selbst ernannte Ziel: Möglichst viele Baustoffe sollen mit wenig Aufbereitung wieder in neue Bauprojekte fließen. Mitvorstand Markus Meissner vom Ökologie Institut hat laut BauKarussell Jahrzehnte lange Erfahrung in der Beratung von deutschen Kommunen im Bereich Abfallverwertung.
BauKarussell beschäftigt sich seit 2015 mit der Wiederverwendung von Bau- und Abbruchabfällen und wurde 2016 von einem Wiener Konsortium aus sechs Organisationen ins Leben gerufen.
Ähnliche Artikel
- Das Thema
Einfach machen
Das Komplizierte ist in Deutschland normal. Gerade auf das Bauen trifft dieser Satz zu. Denn die Normen für den Wohnungsbau sind zahlreich und kompliziert, sie einzuhalten ist technisch anspruchsvoll und immer teurer geworden. Inzwischen ist jedoch auch in der Politik der Wunsch zu spüren, zu einfachen Regeln zurückzukehren. Gerade beim Bauen. Einfach ist etwas dann, wenn nur wenige Faktoren zu seinem Entstehen beigetragen haben und das Zusammenspiel der Faktoren durch wenige Regeln erklärt werden kann. Soweit die Definition von Wikipedia. Das Bauen fällt in Deutschland definitiv nicht in diese Kategorie: Dem Deutschen Institut für Normung (DIN) zufolge gibt es derzeit etwa 35.000 DIN-Normen, 3.900 davon sind für das Bauen relevant, davon wiederum 350 speziell für den Geschosswohnungsbau. Und die Entwicklung scheint nur eine Richtung zu kennen: Seit 2008 sind etwa 750 baurelevante Normen hinzugekommen, eine Steigerung um circa 25 Prozent – auf die eben genannten 3.900. Das Problem an komplizierten Regeln ist nicht nur, dass sie zum Teil schwierig zu verstehen sind, sie sind in der Regel auch teuer in der Umsetzung, zumindest beim Bau von Wohnungen.
- Unterwegs
Wohnen geht in Serie
Ein Mehrfamilienhaus aus vorgefertigten Modulen wie Legosteine aufeinandersetzen: Ein einfaches Prinzip senkt die Kosten und verringert die Bauzeit. Entwickelt sich eine neue Technik gerade zum Gamechanger im Geschosswohnungsbau? Ein Besuch vor Ort. Ein offener Modulrahmen reiht sich an den nächsten. Es wird gesägt, getackert und geschweißt. Funken fliegen, mit Robotern werden Fenster durch die Halle transportiert. In einer 500 Meter langen Fabrikhalle mitten auf dem Land, zwischen Kuhweiden und kleinen Wäldchen, in Friesenhagen bei Siegen entsteht gerade ein Mehrfamilienhaus. Christoph Zielinski, Leiter Geschosswohnungsbau bei der ALHO Systembau GmbH, führt eine Gruppe Interessierte, darunter VdW-Mitarbeiterin Jennifer Rickmann, durch die Halle und erklärt die Technologie hinter der modulbasierten Bauweise. Zunächst werden Metallrahmen für Böden und Decken konstruiert und ausgefacht. Die Boden- und Deckenrahmen werden über Eckstützen miteinander verbunden. So entsteht die tragende Stahlrahmenkonstruktion, in die später die exakt passenden, vorkonstruierten Holzwände eingelassen werden – inklusive Dämmung, Leitungen und Rohre. Durchgänge werden ausgespart. Zum Schluss werden die Fenster eingebaut. Fertig ist das Modul, das später auf der Baustelle mit seinen Artgenossen kombiniert wird, in flexibler Anordnung. „Die modulare Bauweise ermöglicht es uns, nicht nur schneller, sondern auch flexibler und nachhaltiger zu bauen“, sagt er, während er auf die laufenden Maschinen zeigt, die an den entstehenden Raummodulen arbeiten. Mit Modulen kennt sich das Familienunternehmen aus, seit mehr als 55 Jahren stellt es auf diese Art Gebäude her. Die modulare Bauweise verspricht eine Antwort auf insbesondere zwei Schwierigkeiten zu sein, denen Bauherrinnen und Bauherren sich bei Neubauten gerade ausgesetzt sehen: die Baukosten sind hoch, und die Bauzeit ist lang.
- Aussenansicht
Einfach schön?
Großwohnsiedlungen und die dazugehörigen großmaßstäblichen Geschosswohnbauten, die in vielen europäischen Städten seit den Sechziger- und Siebzigerjahren errichtet wurden, haben das Negativbild von serieller und modularer Architektur nachhaltig geprägt. Die Ansammlung von oft als trist und monoton empfundenen, standardisierten „Betonburgen“ mit geringer Nutzungsmischung und vorgelagerten Parkplatzflächen ist Synonym für einen fehlgeleiteten Wohnungs- und Städtebau geworden. Doch ist das serielle, modulare und systemische Bauen von damals vergleichbar mit dem von heute? Die technischen und gestalterischen Möglichkeiten von heute unterscheiden sich maßgeblich von denen der Vergangenheit. Der Fortschritt in der Fertigungstechnologie sowie die Verbesserung der architektonischen Planungsansätze eröffnen ein weites Spektrum an Gestaltungs- und Nutzungsspielräumen, die auch den weitreichenden Klimazielen entsprechen. Die Digitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle, denn dank moderner Planungstools lassen sich heutige Serien und Systeme in vielfältiger Weise bereits miteinander kombinieren, anpassen und variieren. Diese Flexibilität ermöglicht eine große Bandbreite an architektonischen Formen und Erscheinungsbildern, die sich auch städtebaulich in Bestandsquartiere individuell einfügen können. Verschiedenartige Fassaden-, Wand- und Deckenelemente und -materialien, Farben und Strukturierungen, aber auch der Einsatz von vielfältigen Vor- und Rücksprüngen, Balkonen oder Loggien führt zu einer heterogenen Gestaltung. Die serielle Produktion von Gestaltungselementen in unterschiedlichen Detaillierungsgraden und Maßstäben ist heute längst fester Bestandteil architektonischer Gestaltung geworden – ob im Neubau oder Umbau.
- Fachwissen
Die Geschichte einer einfachen Idee
Strom vom Dach den Mieterinnen und Mietern zukommen lassen. Klingt einfach. Doch ein Blick in §42 c des Gesetzes „zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung“ zeigt: Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung umzusetzen, ist komplizierter, als es zunächst den Eindruck macht. Wie aus einer einfachen Idee ein etwas aufwendigeres Konstrukt wurde. Wenn die Sonne scheint, wird Wäsche gewaschen. Für viele Eigenheimbesitzende mit Photovoltaikanlage auf dem Dach ist das Alltag. Denn in dieser Zeit bezahlen sie für den Strom keinen Cent, er wird schließlich von der eigenen Anlage produziert und fließt direkt in den Haushaltsstromkreislauf. Über die Jahre rechnet sich die Anschaffung einer solchen Anlage in der Regel. Was bei Eigenheimen funktioniert, muss doch auch bei vermieteten Gebäuden funktionieren, dachte sich nicht nur der Gesetzgeber. Auch die sozial orientierte Wohnungswirtschaft setzte sich für die Umsetzung dieser einfachen Idee „Strom vom Dach für den Haushalt ohne viel Aufwand“ ein. Mit dem so genannten Solarpaket, mehreren Gesetzesinitiativen, die den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigen sollen, führte das Bundeswirtschaftsministerium deshalb die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ ein. „Mehr Solarstrom, weniger Bürokratie“ überschrieb das Ministerium die Pressemitteilung Ende September 2024, nachdem der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hatte, in dem auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung geregelt ist. Ein geringes Maß an Bürokratie? Michel Böhm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, ist davon nicht zu 100 Prozent überzeugt. Böhm hat an zwei Leitfäden zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mitgeschrieben. „Im Gegensatz zu Mieterstrommodellen ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung wirklich einfacher zu händeln. Ein Wohnungsunternehmen muss jetzt nicht mehr alle Anforderungen an einen Energieversor