thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Wie lässt sich der Neubau von bezahlbaren Wohnungen gezielt steuern?

Der Neubau von bezahlbaren Wohnungen muss wieder Fahrt aufnehmen – dass die Erhöhung des Wohnungsangebots der Schlüssel für die Verfügbarkeit ist, dabei sind sich die allermeisten wohnungspolitisch involvierten Akteure einig, allen voran die Bundesregierung, die für die Legislaturperiode hoch gesteckte Ziele ausgegeben hat. Welche steuerlichen Hebel gibt es, um den Wohnungsbau wieder bezahlbarer zu gestalten?

Vorbeigesteuert?

Der Staat kann für eine Stärkung des Neubauvolumens selbstverständlich Förderprogramme auflegen bzw. ausweiten. Ein anderer, mitunter nicht unbedingt im Rampenlicht der wohnungspolitischen Debatte stehender Hebel ist aber die Besteuerung des Grundstückserwerbs sowie der Baukosten. Im Folgenden soll nicht auf Maßnahmen eingegangen werden, die die Ertragsbesteuerung eines Wohnungsunternehmens reduzieren können, sondern nur auf steuerliche Belastungen im Wohnungsneubau. Denn hier wirken Maßnahmen wie die jüngst angekündigte Einführung der degressiven Gebäude AfA oder Sonderabschreibungen nicht immer zielgenau, z.B. bei steuerbefreiten Vermietungsgenossenschaften oder Gesellschaften in steuerlicher Verlustsituation, wie es bei vielen Verbandsmitgliedern der Fall ist. Hier laufen diese staatlichen Maßnahmen teilweise komplett ins Leere und schaffen keinen Impuls für mehr Wohnungsneubau.

Ein stärkerer Ansatzpunkt sind hier die Verkehrssteuern. Der Erwerb von (unbebauten und bebauten) Grundstücken wird ohne signifikante Ausnahmen mit 6,5% (Nordrhein-Westfalen) bzw. 5,0% (Rheinland-Pfalz) Grunderwerbsteuer belastet, die üblicherweise vom Käufer, d.h. Bauherrn zu tragen ist. Da Wohnungsvermietung nicht zum Vorsteuerabzug führt, sind die Baukosten (soweit von Dritten eingekauft) mit 19% Umsatzsteuer als echter Kostenfaktor belastet. Beide Verkehrssteuern „atmen“ als prozentualer Anteil gewissermaßen mit der Marktentwicklung mit, so dass sie die Preis- und Kostensteigerungen sogar noch verschärfen.

Auswirkungen auf die Gesamtkosten bei Neubauprojekten

Da beide Steuern vom Investor wiederum „verdient“ werden müssen, wirken sie sich entweder auf die Miethöhe aus— dies stünde jedoch im Konflikt mit den satzungsmäßigen Zwecken der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum. Oder aber sie gehen zu Lasten der im Bereich der Wohnungsvermietung ohnehin schon geringen Gesamt- und Eigenkapitalrentabilität des Wohnbauvorhabens. Zur Veranschaulichung soll nachfolgend der Substanzsteuercharakter (einmalig und nicht aus laufenden Überschüssen zu zahlen) als Belastung des investierten Eigenkapitals dargestellt werden: Bei einem fiktiven Anschaffungspreis für Grund und Boden i. H. v.  300.000 Euro und Baukosten (Fremdleistungen) von netto 700.000 Euro entsteht eine Grunderwerbsteuer (NRW) von 6,5 % bzw. 19.500 Euro auf den Anschaffungspreis (300.000 Euro). Auf die Baukosten i. H. v. 700.000 Euro entsteht wiederum nicht abzugsfähige Umsatzsteuer von 19% bzw. 133.000 Euro. Insgesamt also Verkehrssteuern von 152.500 Euro. Steht für die Investition Eigenkapital von 500.000 Euro zur Verfügung (was immerhin 50% der Investitionskosten vor Verkehrssteuern entspricht), würde dieses Eigenkapital rechnerisch bereits zu 30,5 % verbraucht sein. Steigen die Baukosten um z.B. 20%, kämen 26.600 Euro nicht abzugsfähige Umsatzsteuer hinzu, wodurch nur durch die Besteuerung das Eigenkapital zu knapp 36 % rechnerisch verbraucht wäre.

Vor diesem Hintergrund stellt sich steuerlich die Frage, ob der Staat den Wohnungsneubau statt durch wenig zielgenaue Maßnahmen der degressiven Gebäude-AfA oder einer Sonderabschreibung nicht eher durch eine Senkung der Grunderwerbsteuer auf Grundstücke zum Wohnungsneubau und eine Senkung der Umsatzsteuer auf Bauleistungen zum Wohnungsneubau reagieren sollte. Beide Maßnahmen sind einerseits direkt zielführend (wie z.B. der Umsatzsteuersatz von 0% für Erwerb und Installation von PV-Anlagen seit dem 1. Januar 2023 zeigt) und sollten andererseits auch rechtlich zulässig sein.

Welche Möglichkeiten hat der Staat?

Da bei der Grunderwerbsteuer die Steuersatzautonomie bei den Bundesländern liegt, könnte das Grunderwerbsteuergesetz den Bundesländern erlauben, verringerte Steuersätze für den Grunderwerb zum Wohnungsneubau festzusetzen. Dass dies möglich ist, zeigt ein Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einer Novellierung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 15. Juni 2023. Dort erhalten die Bundesländer die Befugnis, zur Förderung des Erwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum einen ermäßigten Steuersatz einzuführen. In diesem Gesetzesvorschlag können die Bundesländer auch bestimmte weitere Voraussetzungen oder Höchstgrenzen festlegen.

Entsprechend könnte man auch beim Grundstückserwerb für den Wohnungsneubau vorgehen. Auch hierfür könnte ein ermäßigter Steuersatz mit zielgenauen Voraussetzungen formuliert werden. Die Gesetzesbegründung zum Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetz sieht auch ausdrücklich keine verfassungsrechtlichen Probleme, wenn der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungsbefugnis einfachgesetzlich den Ländern die Möglichkeit zur Bestimmung eines ermäßigten Steuersatzes eröffnet. Da konkrete Steuersatzermäßigungen im Sinne des EU-Beihilferechts selektiv wirken, wäre die Vereinbarkeit mit EU-Beilhilferecht noch zu prüfen.

Etwas differenzierter sieht es bei einer Minderung des Umsatzsteuersatzes für Bauleistungen im Wohnungsneubau aus. Sämtliche Änderungen der deutschen Umsatzsteuer haben sich an die Vorgaben der übergeordneten europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MWStSystRL, Stand: 5. April 2022) zu halten, d.h. der deutsche Gesetzgeber ist hier nicht frei in seiner gesetzgeberischen Entscheidung. So konnte der bereits erwähnte 0%-Steuersatz für Erwerb und Installation von PV-Anlagen erst durch eine in 2022 erfolgte Änderung der MWStSystRL eingeführt werden.

Es ist aber festzustellen, dass dem deutschen Gesetzgeber hier tatsächlich ein Spielraum gegeben wird. Nach Art. 98 Abs. 2 in Verbindung mit der Anlage III Nr. 10 MWStSystRL können die Mitgliedsstaaten einen ermäßigten Steuersatz festlegen für „Lieferung und Bau von Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, wie von den Mitgliedstaaten festgelegt; Renovierung und Umbau, einschließlich Abriss und Neubau, sowie Reparatur von Wohnungen und Privatwohnungen; Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke“.

Da jeder Mitgliedstaat zwei ermäßigte Steuersätze und zusätzlich in bestimmten Fällen einen Steuersatz von 0 % festlegen darf, könnte der deutsche Gesetzgeber also entweder 7 % oder einen anderen ermäßigten Steuersatz festlegen. Dieser muss nach Art. 98 Abs. 2 MWStSystRL aber mindestens 5 % betragen. Es ist allerdings festzuhalten, dass der ermäßigte Steuersatz nach dem Wortlaut nur für den Bau von Wohnungen „im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus“ zugelassen ist. 

Die Definition dieses Begriffs (in der englischen Version „as part of a social policy“) überlässt die Richtlinie aber den EU-Mitgliedstaaten, so dass hier ein gewisser Auslegungsspielraum seitens des deutschen Gesetzgebers besteht. Er sollte dabei auch nicht an den Festlegungen des ohnehin staatlich geförderten Wohnungsbaus gebunden sein. Beispielsweise könnte „sozialer Wohnungsbau“ in diesem Sinne auch (wie bei Begründung der Baukostenobergrenzen für die Sonderabschreibung nach § 7b EStG) als Wohnungsbau „im unteren und mittleren Mietpreissegment“ definiert werden (BT-Drs. 19/4949, S. 13). Nach dem Wortlaut kann auch ohne Sozialkomponente der Umbau begünstigt werden, wozu der „Abriss und Neubau … von Wohnungen“ zählt.

Von daher hat der deutsche Gesetzgeber tatsächlich die Möglichkeit, den Steuersatz für Bauleistungen im (sozialen) Wohnungsneubau auf 7% oder einen anderen ermäßigten Steuersatz (mindestens 5%) zu senken und damit zu einer erheblichen Minderung von Baukosten beizutragen.

Die derzeit gestoppten Bauvorhaben, voraussichtlich weiterhin höhere Zinsen und der drohende Kapazitätsabbau im Baugewerbe lassen für die nächsten Jahre wenig Hoffnung für die Erreichung der 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu. Für die Verfügbarkeit von bezahlbaren Wohnungen eine fatale Entwicklung, die vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen, aber auch immer mehr die Einkommensmitte der Gesellschaft erreicht.