thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Quelle: Roland Baege

Saleh Al-Roussan

Umm Qais ist ein Dorf im äußersten Nordwesten Jordaniens, das für seine römischen Ruinen und die malerische Natur bekannt ist. Dort lebte Saleh Al-Roussan in einem großen Haus mit vielen Zimmern bei seinen Eltern, umgeben von Vogelgezwitscher und Touristen, welche die antike Stadt Gadara besuchten. Der Kontrast zum aktuellen Leben des 33-Jährigen in Deutschland könnte kaum größer sein.

Vor einem Jahr kam Saleh nach Deutschland. Heute arbeitet er als Elektroniker bei VIVAWEST auf einer Baustelle in Recklinghausen. Der Weg bis dorthin war lang und beschwerlich. Seit 2015 ist Saleh als Elektroniker tätig und arbeitete bis 2020 in Jordanien, bevor er durch die Corona-Pandemie seine Anstellung verlor. „Mein Ziel war Deutschland“, beschloss Saleh, lernte Deutsch und bewarb sich bei VIVAWEST.

Im Rahmen eines NRW-Pilotprojekts hat das Unternehmen drei Elektroniker aus Jordanien für das eigene Dienstleistungsunternehmen RHZ Handwerkszentrum rekrutiert. „Elektroniker-Positionen sind aufgrund des Fachkräftemangels besonders gefragt“, erklärt VIVAWEST-Sprecher Gregor Boldt. In Jordanien gebe es viele gut ausgebildete Elektroniker, die in Deutschland ihre berufliche Laufbahn fortführen möchten. Das Projekt, das im November 2021 startete, wird vom Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) als Projektträger unterstützt. Es zielt darauf ab, qualifizierte Fachkräfte aus Jordanien und Ägypten zu gewinnen, sie sprachlich und beruflich zu qualifizieren und bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Am ersten Tag: Regen

Doch trotz intensiver Vorbereitungen vor Ort in Jordanien war die Anpassung für Saleh nicht einfach. „Am ersten Tag hat es in Deutschland geregnet. Das Wetter, die Leute, die Sprache – alles war neu und anders“, erinnert sich Saleh. Auch technische Unterschiede, wie die andere Farbzuordnung der Phasen der Kabel, stellten ihn vor Herausforderungen. Im Gespräch wiederholt er oft den Wunsch, noch mehr Deutsch zu lernen, er will es perfektionieren, dabei spricht er es nach drei Jahren Training schon gut. Die Unterstützung durch seinen Vorgesetzten und das Team hilft ihm enorm. Nach der anfänglichen Sprachbarriere merkt er bereits Verbesserungen und besucht nach Feierabend einen Deutschkurs, Führerscheinkurs und eine Anerkennungsprüfung zum Elektroniker.

Saleh lebt mit seinen zwei jordanischen Kollegen als WG in einer VIVAWEST-Wohnung in Dortmund. „Wir kochen, essen und lachen viel zusammen“, berichtet er fröhlich.

Auch für VIVAWEST war dieser Weg zu neuen Mitarbeitern lang und durchaus beschwerlich. „Die bürokratischen Hürden waren hoch und komplex“, erklärt Gregor Boldt. „Aber das Team aus dem Personalbereich war hartnäckig und ließ nicht locker. Unsere Recruiterin Cindy Wüster hat die neuen Kollegen persönlich vom Flughafen abgeholt“, führt Boldt weiter aus.

Der Rekrutierungsprozess, der 2021 begann, dauerte bis 2023, bis Saleh schließlich nach Deutschland fliegen konnte. Die Bewerberprofile wurden sorgfältig geprüft, und Interviews wurden per Videocall durchgeführt. Die neuen Mitarbeiter wurden umfassend unterstützt, von der Bereitstellung der Arbeitsverträge bis zur Organisation von Sprachkursen und Arbeitssicherheitsschulungen.

Quelle: Roland Baege

Heimweh und Hoffnung

Mit Stolz und einem Leuchten in den Augen spricht Saleh von seiner Heimat. Er vermisst sein Dorf und seine Familie sehr. Nachdenklich wird er, wenn er von seiner Frau und Familie erzählt, die er verlassen hat, um sich alleine auf den Weg nach Deutschland zu machen. Der tägliche Kontakt mit seiner Familie über das Internet ist ihm sehr wichtig. Vor zwei Monaten heiratete er in Jordanien, seine Frau wird nächstes Jahr nach Deutschland kommen. Diese Aussicht gibt ihm Hoffnung und verringert das Heimweh zumindest ein wenig.

Saleh ist zufrieden in Deutschland, auch wenn er noch nicht weiß, ob er für immer bleiben wird. „Wenn meine Frau kommt, wird es besser. Zurzeit möchte ich hierbleiben und bin glücklich, aber in zehn Jahren – wer weiß?“ Er hat sich gut eingelebt, findet das Leben in Deutschland noch besser als in seinen Vorstellungen und genießt die Möglichkeiten, die ihm hier geboten werden. Inzwischen beurteilt er die Bauqualität und die enorme Größe der Wohnungen in seinem Heimatland kritisch.

«Die bürokratischen Hürden waren hoch und komplex.»

Quelle: Roland Baege

Auch VIVAWEST zieht eine positive Bilanz und denkt darüber nach, weitere Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. „Unsere Fokusgruppen wären ausgebildete Anlagemechaniker und Elektroniker“, sagt Gregor Boldt. Doch es bedarf weiterhin einer umfassenden Unterstützung. VIVAWEST wünscht sich eine stärkere Integrationshilfe durch die Kommunen sowie eine engere Vernetzung von Unternehmen, Behörden und Zivilgesellschaft. Mehr Transparenz über die Prozesse der Fachkräfteeinwanderung, eine Vereinfachung der kommunalen Prozesse sowie mehr Unterstützung bei der Wohnraumversorgung wären für den Fachkräfteeinwanderungsprozess hilfreich, so das Unternehmen.

Saleh Al-Roussan kommt ins Schwärmen, wenn er von den Burgen und Schlössern erzählt, die er sich in Deutschland anschauen möchte. „Ich liebe Geschichte und freue mich darauf, mehr von Deutschland zu sehen.“ Eine beeindruckende Erfahrung in Deutschland hat Saleh bereits gemacht: „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Schnee gesehen!“

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