Modellrechnung: Vollständiger Heizungstausch im Wohnungsbestand
Die Kombination aus den Anforderungen des zum 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der im Raum stehenden EU-Gebäuderichtlinie wird große Investitionen für den Wohnungsbestand auslösen – welche Folgen gehen damit für die wirtschaftliche Lage von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften einher?
Die Modellrechnung für eine Wohnungsgenossenschaft zeigt auf, dass es allein für die Umrüstung auf Wärmepumpen im Wohnungsbestand finanziell extrem herausfordernd wird.
Die Wohnungsgenossenschaft hat rund 1.800 Wohnungen mit insgesamt fast 120.000 Quadratmetern Wohnfläche. Sie heizt aktuell zu 86 Prozent mit Gas, zwei Prozent mit Öl, ein Prozent mit Holz und 11 Prozent mit Strom (nach aktuellem Strommix). Bei einem Energieverbrauch von durchschnittlich 132,8 kWh pro Quadratmeter und Jahr entstehen so Emissionen von 3.520,35 Tonnen CO₂ pro Jahr. Bis 2045 soll dieser Wert auf null fallen. Auf die Beispielgenossenschaft kämen bis 2045 Investitionen in Höhe von über 29,3 Millionen Euro zu, um ihren Bestand vollständig mit Wärmepumpen auszustatten (ohne Förderung).
„Das wäre die reine Umstellung auf die Wärmepumpe, der Bestand wäre noch nicht energetisch und schon gar nicht altersgerecht saniert“, fasst VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter die Situation der Baugenossenschaft zusammen. „Das Eigenkapital der Baugenossenschaft liegt bei rund 32 Millionen Euro. Sie müsste, nur um auf Wärmepumpen umzustellen, beinahe ihr gesamtes Eigenkapital aufbrauchen.“ In den engen politischen Grenzen sei der Weg zur Klimaneutralität nicht zu erreichen, schließt Rychter. Es drohe eine finanzielle Überforderung für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft und ihre Mieterinnen und Mieter, wenn die Förderung für diese Transformation – nicht zuletzt im bevölkerungsreichen und wirtschaftsstarken Bundesland Nordrhein-Westfalen – nicht ausgeweitet wird. Allein für Deutschland müssten die Investitionen in die energetische Sanierung von derzeit knapp 50 auf 187 bis 261 Milliarden Euro pro Jahr steigen, je nach verordneter Sanierungstiefe in der EU-Gebäuderichtlinie.
„Die Frage um die Zukunft des klimaneutralen Heizens ist eng verzahnt mit der Perspektive eines klimaneutralen Gebäudebestands. Als sozial orientierte Wohnungswirtschaft plädieren wir für die beste Lösung im Sinne von Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen“, sagt Rychter. „Es mangelt nicht an Gestaltungswillen, aber an Vorstellungsvermögen, wie rund 3,95 Millionen Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen in Rekordtempo vollständig energetisch ertüchtigt und emissionsseitig auf null gefahren werden sollen.“
Die Situation der Beispielgenossenschaft zeigt auf, dass auf bundespolitischer Ebene offenbar erst noch das Bewusstsein dafür entstehen muss, dass es sich bei der Klimaneutralität im Bereich Bauen und Wohnen um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, die nicht allein von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften getragen werden kann – es braucht die passenden Rahmenbedingungen, vor allem im Bereich der Förderung, wenn weder Mieterinnen und Mieter noch Wohnungsunternehmen und -genossenschaften wirtschaftlich überfordert werden sollen.
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