thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

KI: Buzzword oder Game-Changer?

Timo Wanke, Geschäftsstelle des Kompetenzzentrums DigiWoh

Timo Wanke betreut die Geschäftsstelle des Kompetenzzentrums DigiWoh. Im DigiWoh vernetzen sich bereits über 170 Wohnungsunternehmen, Technologiepartner und Verbände, um in verschiedenen Veranstaltungs- und Vernetzungsformaten gemeinsam voneinander zu lernen und die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft voranzutreiben.

Gegenüber Künstlicher Intelligenz (KI) gib es das eine oder andere Vorurteil. „Macht die Schaufeln halb so voll, wenn die Arbeit reichen soll! Denn in der Wohnungswirtschaft gehen dank KI-gestützter Prozessautomatisierung bald alle früher nach Hause. Vielleicht aber auch direkt ins Gefängnis, da unregulierte KI gegen sämtliche Datenschutzvorgaben verstößt?“ Erste KI-Projekte von Wohnungsunternehmen zeigen jedenfalls: Eine Annäherung an das Thema frei von Übermut und Angst lohnt sich.

Gastbeitrag von:

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Timo Wanke

Geschäftsstelle des Kompetenzzentrums DigiWoh

Lange Zeit war Künstliche Intelligenz als Paradebeispiel eines „Buzzwords“ auf wohnungswirtschaftlichen Fachtagungen verschrien. Auch in den Anbieterpräsentationen wurden Begriffe wie „intelligent“ und „smart“ eher großzügig ausgelegt und vom digitalen Türzugangssystem bis hin zu Verwaltungsportalen mit einfachsten Workflow-Automatisierungen nach Wenn-Dann-Logik so ziemlich jedem innovativen Digitalprodukt angedichtet. Nicht erst mit der Vorstellung von ChatGPT hat sich die digitale Welt jedoch rasend schnell weitergedreht und immer mehr Produkte mit echter integrierter KI – außerhalb der Wohnungswirtschaft insbesondere aus den USA und China – drängen auf die Märkte.

Höchste Zeit also, sich auch in unserer Branche mit dem Thema zu beschäftigen. Kann KI-gestützte Automatisierung die Antwort auf den Fachkräftemangel sein? Wie gelingt der Spagat zwischen immer mehr Digitalisierung und dem gleichzeitigen Anspruch der sozialen Wohnungswirtschaft, den zwischenmenschlichen Kontakt in den Quartieren zu fördern und weniger digitalaffine Mieterinnen und Mieter nicht zu verlieren? Drei Beispiele zeigen auf, was heute bereits möglich ist.

Wenn die KI spricht

Eine einzelne Anfrage einer Mieterin oder eines Mieters kann schon viel auslösen: Während der eine lediglich eine Wohnungsgeberbestätigung benötigt, möchte die andere einen komplexen Wasserschaden melden. Ebenso vielseitig wie die Wünsche sind die genutzten Kommunikationskanäle: Vom Telefon bis zur E-Mail oder dem digitalen Portal ist für jeden etwas dabei. Aus Sicht des Wohnungsunternehmens entstehen hier – insbesondere bei den Telefonanrufen – Ineffizienzen, die nicht in die standardisierten Prozesse eines digitalen Vorgangsmanagements passen. 

Anstatt nun mit viel Marketing und Ermunterung die oftmals bescheidenen Anmeldezahlen des Mieterportals zu fördern, geht man bei der Gundlach Bau und Immobilien GmbH aus Hannover einen anderen Weg und integriert KI in das bei vielen weiterhin bevorzugte Kommunikationsmittel Telefon. Ein textverarbeitender Anrufbeantworter der Firma MANAGBL.AI nimmt den Anruf entgegen und fasst den Inhalt in Ticket-Form für das CRM-System der Firma casavi zusammen. 

Während die Mieterin oder der Mieter fernab vom klassischen „Wählen Sie bitte die 1“-Anrufbeantworter-Sprech flüssig mit dem Bot spricht, erhält die Mitarbeiterin des Unternehmens die wesentlichen Informationen im zentralen Ticketsystem und kann hier sogar mittels KI bereits Antwortschreiben erstellen oder sonstige Prozesse beauftragen lassen.

Wenn die KI die Heizung steuert

Die Fenster auf Kipp und das Thermostat auf fünf, während am Heizkessel die Vorlauftemperatur auf 70 Grad klettert: Selbst die beste Dämmung reicht nicht aus, wenn das menschliche Verhalten das Energiesparen nicht unterstützt. Die degewo netzWerk – Tochter der kommunalen Berliner degewo AG – ist eine Entwicklungspartnerschaft mit dem PropTech metr eingegangen, die genau hier ansetzt: Mittels Sensorik wird der Betriebszustand der Heizanlage kontinuierlich überwacht und analysiert. 

Ein KI-basiertes Modell erkennt dann Besonderheiten, die nicht zu Erfahrungswerten oder Umweltdaten passen und auf Ineffizienzen wie beispielsweise falsches Heizverhalten, einen notwendigen hydraulischen Abgleich oder eine zu verbessernde Einstellung des Heizkessels hinweisen. Ohne menschliches Zutun können viele Einstellungen an der Heizanlage bereits von der KI allein veranlasst werden. Insgesamt ergeben sich hieraus Energieeinsparungen von bis zu 20 Prozent für das gesamte Gebäude.

Wenn die KI die Dokumente sortiert

Bei der Abwicklung von Versicherungsschäden entsteht vom Begutachtungsprotokoll bis hin zum Schriftverkehr und zu Rechnungen schnell ein großer Berg an Dokumenten, Mails und Bildern, die zwischen Mieterin beziehungsweise Mieter, Wohnungsunternehmen und Versicherer hin- und hergeschickt werden. Der Aufwand, sämtliche Belege bei Versicherer und Wohnungsunternehmen doppelt zu prüfen und freizugeben, steht besonders bei Frequenzschäden – die die große Mehrzahl an Fällen ausmachen – oft in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Schadenssumme. 

Bei der Essener Margarethe Krupp-Stiftung setzt man daher auf KI in Form eines „intelligenten Postkorbs“, der Dokumente automatisiert dem Schadensvorgang zuordnet, auf Unstimmigkeiten im Vergleich zu bereits eingegangenen Dokumenten oder ähnlich gelagerten Schadensfällen überprüft und oft auch bereits automatisiert an den Versicherer weiterleitet. Viele Frequenzschäden werden von dem System der Firma claimflow so bereits „dunkel“ verarbeitet – also ohne menschliche Kontrolle. 

Bei höheren Schadenssummen oder seltenen Schäden greift der Software-Anbieter hingegen weiterhin auf menschliches Know-how zurück und beschäftigt eigene Expertinnen und Experten, die die eingereichten Belege für das Wohnungsunternehmen nachkontrollieren.

Fazit: Es bewegt sich was in der Wohnungswirtschaft – auch wenn es aktuell noch eines gesunden Maßes an Mut und Experimentierfreude bedarf, sich auf die innovativen KI-Lösungen einzulassen. Erste Projekte zeigen jedoch, dass KI durchaus das Potenzial hat, Effizienzanforderungen des Unternehmens mit den Ansprüchen von Mieterinnen und Mietern an menschliche Prozesse in Einklang zu bringen.

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