thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Der Klimaneutralität schon sehr nah – wenn das Wohnquartier „EliQ“ fertiggestellt ist, werden hier 72 bezahlbare, öffentlich geförderte und klimagerecht beheizte Wohnungen verfügbar sein
Der Klimaneutralität schon sehr nah – wenn das Wohnquartier „EliQ“ fertiggestellt ist, werden hier 72 bezahlbare, öffentlich geförderte und klimagerecht beheizte Wohnungen verfügbar sein
Quelle: PR-Fotografie Köhring

Wo die klima-neutrale Zukunft entsteht:
Besuch auf einer besonderen Baustelle

Riesige Kräne, Staub, Bohrmaschinenlärm, anfahrende Transporter, hämmernde Bauarbeiter und das laute, beständige Surren von Gerätemotoren – Der VdW Rheinland Westfalen zu Besuch in Mülheim an der Ruhr bei einer Baustelle, wie sie im Buche steht. In diesem Fall wäre das aber nicht irgendein Buch.

Das Wohnquartier „EliQ“ des kommunalen Wohnungsunternehmens SWB-Service- Wohnungsvermietungs- und -baugesellschaft mbH (SWB) wäre ein Beispielprojekt in einem Buch zum klimagerechten Wohnen. Denn hier entstehen 72 Wohnungen, 39 davon öffentlich gefördert, die 2024 fertiggestellt sein und der Klimaneutralität schon sehr nahekommen sollen.

Kurzum: Das Verbandsmitglied baut hier gerade ein klimagerechtes Wohnquartier, in dem es bezahlbare und zukunftsfähige Wohnungen für unterschiedliche Wohnbedürfnisse geben wird. Der VdW Rheinland Westfalen war auf der Baustelle und konnte sich einen Eindruck von dem spannenden Projekt machen.

Noch Baustelle, bald schon zukunftsweisendes Wohnquartier mit bezahlbaren und klimagerechten Wohnungen
Noch Baustelle, bald schon zukunftsweisendes Wohnquartier mit bezahlbaren und klimagerechten Wohnungen
Quelle: PR-Fotografie Köhring
Die Rohre, die zunächst unscheinbar wirken, tragen zukünftig zur klimagerechten Wärmeversorgung des „EliQ“ durch Fernwärme bei. Der SWB-Projektleiter macht sich ein Bild von den Bauarbeiten.
Die unscheinbaren Rohre tragen zukünftig zur klimagerechten Wärmeversorgung des „EliQ“ durch Fernwärme bei. Der SWB-Projektleiter macht sich ein Bild von den Bauarbeiten.
Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Ein Transporter mit großen, aufgerollten Rohren parkt vor der Baustelle an der Elisabeth-Selbert-Straße. „Das sind die Rohre für den neuen Fernwärmeanschluss“, erklärt Damian Hoy, Architekt und zuständiger Projektleiter der SWB.

Man denkt zunächst an die großen, silbernen Rohre mit einem halben Meter Durchmesser, die sich im Ruhrgebiet an vielen Stellen überirdisch ihren Weg von den industriellen Wärmequellen in die dicht bebauten Zentren bahnen.

Wohin die führen und was danach geschieht, ist eher weniger bekannt. „Das sind auch Fernwärmeleitungen, die werden aber in dieser Form nicht bis ins Wohnquartier verlegt, sondern führen von Übergabestationen dann unterirdisch über kleinere
Rohrleitungen in die Wohnquartiere“, führt Architekt Hoy weiter aus.

Tatsächlich sehen die hier verlegten Rohre unscheinbar aus – nicht unbedingt wie eine der Schlüsseltechnologien für die Klimaneutralität bis 2045. Und auch der Doppel-Empfängeranschluss für Fernwärme im Keller eines Wohngebäudes kommt eher platzsparend und gewöhnlich  daher. Dennoch sind gerade diese Rohre ein extrem wichtiger Teil des energetischen Quartiers-konzepts: Während Spitzenverbrauchszeiten wird die hindurchströmende Fernwärme dafür sorgen, dass Heizwärme und Warmwasser in die Wohnungen des Wohnquartiers „EliQ“ kommen. Auch wenn gerade keine erneuerbare Energie vor Ort verfügbar ist.

Die Fernwärme aus einem nahe gelegenen – und perspektivisch klimaneutral betriebenen – Blockheizwerk wird nur benötigt, wenn viel Wärme zur gleichen Zeit von den Mieterinnen und Mietern in Anspruch genommen wird: Bei sehr tiefen Minusgraden hat die Wärmepumpen-Technologie im Wohnquartier nämlich Schwierigkeiten, eine wohngerechte Temperatur herzustellen. Daher wird das Neubauquartier über eine Kombination aus Erdwärme, Fernwärme und Strom beheizt. Der kommt von den Photovoltaik-Modulen auf den Dächern des Wohnquartiers.

Strom vom eigenen Dach,
Wärme aus dem Boden

Nach dem Aufstieg über ein Fassadengerüst sind die Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach erreicht. Insgesamt 26 Module sind auf dem Flachdach installiert und bereit, das Wohngebäude mit Strom vom eigenen Dach zu

versorgen. Alle Wohngebäude im „EliQ“ sind damit ausgestattet.

Eines war dem Planungs- und Projektteam der SWB besonders wichtig: „Die Kombination von Photovoltaik und Geothermie ist an diesem Standort ausgesprochen sinnvoll. Wir haben hier die passende Ausrichtung zur Bewegung der Sonne, genug Fläche auf den Dächern und insgesamt 36 Bohrstellen im Wohnquartier, um die Wärme, die in ca. 100 Metern Tiefe herrscht, durch Wärmepumpen für die Wohnungen zu nutzen. Bei
ausreichend starker Sonneneinstrahlung sind wir hier in der Heiz- und Warmwasserversorgung emissionsfrei“, berichtet Projektleiter Damian Hoy.

Fernwärmeanschluss in einem der Wohngebäude im Wohnquartier „EliQ“
Fernwärmeanschluss in einem der Wohngebäude im Wohnquartier „EliQ“
Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Emissionsfreies Wärmen und Heizen

„Spannend! Null CO₂-Ausstoß und trotzdem eine warme Wohnung und warmes Wasser im Bad“, denkt man sich, während der SWB-Projektverantwortliche das Energiekonzept für „EliQ“ erklärt. Nach dem Abstieg

vom Dach schaut sich Hoy die Fernwärmeleitung genauer an. „Auch die Fernwärme, die energetische Absicherung für dieses Quartier, wird zukünftig klimaneutrale Wärme liefern.“ Denn neben der sozial orientierten Wohnungswirtschaft wird auch die Industrie, wo die Wärme entsteht, bis 2045 klimaneutral werden.
Aber die Fernwärme ist ja auch nur für die Spitzenlast vorgesehen.

Den größten Teil des Jahres werden die Menschen hier, an der Elisabeth-Selbert-Straße, schon von Beginn an klimaneutral wohnen: Keine Öl-Heizung, keine Gas-Heizung – hier wird nicht mehr mit fossilen Brennstoffen geheizt, sondern mit erneuerbaren Energien.

Viel Technik, wenig Verbrauch

 

Es geht hinunter in den Heizraum. Hier installiert Ibo Cakar, Heizungsinstallateur eines ausführenden Partnerunternehmens, die großen Kesselspeicher,

in denen das aus dem Erdreich erwärmte Wasser gespeichert wird.

Drei große, graue Tonnen, die 800 Liter fassen und den Raum füllen: „Das Neueste vom Neuen“, kommentiert der Installateur mit einem Lächeln. Danach zeigt er auf eine noch freie Stelle – genau dort wird dann das Gerät platziert sein, das für die Übersetzung der Erdwärme sorgt und den Weg aus dem Boden in die Wohnungen ebnet. Alles in einem nicht allzu großen Kellerraum: Kessel, Fernwärmestelle, der Wärmetauscher der Wärmepumpe – überraschend, dass das auf so wenig Raum geschehen kann.

Photovoltaik auf dem Dach, Geothermie aus dem Boden - SWB-Projektleiter Damian Hoy schaut sich die Module an und stellte dem VdW Rheinland Westfalen das moderne Klimakonzept des Wohnquartiers „EliQ“ vor
Photovoltaik auf dem Dach, Geothermie aus dem Boden - SWB-Projektleiter Damian Hoy schaut sich die PV-Anlagen auf dem Dach an
Quelle: PR-Fotografie Köhring

Zukunftsweisendes Projekt unter herausfordernden und zähen Bedingungen

Leider ist es aber auch wenig überraschend, dass die SWB und Damian Hoy noch auf die Lieferung der Wärmepumpen warten. Die produzierende Branche hat zwar ihre Produktionskapazitäten im vergangenen Jahr hochgefahren, doch noch immer beträgt die Wartezeit ab dem Zeitpunkt der Bestellung mindestens sechs

Monate – Lieferkettenprobleme.

„Wir haben in diesem Projekt mehrere herausfordernde Phasen erlebt“, erzählt SWB-Projektleiter Hoy „Bergbauliche Sicherungsmaßnahmen, Baukosten-steigerungen von rd. 15 Prozent gegenüber der ursprünglichen Planung, der plötzliche Stopp der Förderung für Bundesförderung für effiziente Gebäude
(BEG) im Februar 2022 – die Fördermittel wurden der SWB schließlich doch noch bewilligt – und mitunter verlängerte Lieferzeiten für Baumaterial und -technik.“

Die SWB musste in diesem Zuge mehr investieren als geplant, hielt aber an den grundsätzlichen Plänen für das „EliQ“ fest: Bis August 2024 soll das zukunftsweisende Wohnquartier fertiggestellt sein. Dann wird es hier die wohl klimafreundlichsten Wohnungen der Stadt geben – auch für Haushalte mit niedrigem Einkommen.

Dass dieses Wohnquartier schon bald in den 72 neuen Wohnungen Familien mit Kindern, Seniorinnen und Senioren, jungen Paaren und Singles ein neues Zuhause geben wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn viele Projekte, die teilweise schon genehmigt wurden, können unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werden.

Die Kosten für den Neubau von Wohnungen sind explodiert, was zu Mieten führen würde, die sich schlichtweg nur noch Topverdiener leisten könnten. Die Folge: Projekte werden eingestellt oder gar nicht erst geplant – es wird weniger gebaut, obwohl deutlich mehr Wohnungen gebraucht werden.

Um weiterhin Quartiere wie das „EliQ“ bauen zu können, müssen wohnungspolitisch alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um sozial orientierte Wohnungs-unternehmen und -genossenschaften zu solchen Projekten zu befähigen. Denn zukünftig werden wir alle noch viel mehr klimagerechte und bezahlbare Wohnungen benötigen – um das Kapitel „Klimaneutralität“ überhaupt schreiben zu können. Dem „EliQ“ ist jedenfalls eine Seite sicher.

Klimaneutrales Wohnen wird hier bald möglich sein – das „EliQ“ der SWB zeigt mit einem cleveren Energiekonzept, wie es gehen kann.
Quelle: VdW Rheinland Westfalen
Die großen Wasserspeicher fassen 800 Liter Warmwasser
Die großen Wasserspeicher fassen 800 Liter Warmwasser
Quelle: VdW Rheinland Westfalen