thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Nachbarschaftlicher Austausch: die deutsch-niederländische Gruppe mit Akteuren aus Wohnungswirtschaft und Wohnungspolitik in Rotterdam
Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Wie sanieren und bauen unsere niederländischen Nachbarn?

Aufstockung, Umnutzung und Sanierung sind auch in den Niederlanden wichtige Themen, wenn es um das bezahlbare und klimagerechte Wohnen geht. Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus.

Ein niederländischer Exkursionsteilnehmer liest von seinem Handy ab: „Guten Morgen, mein Name ist …“ und wechselt dann ins Englische. Die Gruppe vor ihm beginnt fröhlich zu lachen. Der Moment verdeutlicht das Besondere der deutsch-niederländischen Gruppenkonstellation, die in drei Sprachen agiert und so versucht, sich gegenseitig über die aktuellen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Wohnungskrise in Deutschland und in den Niederlanden zu informieren.

Denn die wohnungspolitischen und wohnungswirtschaftlichen
Anforderungen sind in beiden Ländern ähnlich. 900.000 Wohnungen sollen in den Niederlanden bis 2030 entstehen. Damit haben die Niederlande gerechnet auf die Einwohnerzahl einen noch höheren Druck neue Wohnungen zu bauen als Deutschland mit einem jährlichen Ziel von 400.000 Wohneinheiten. Was beide Länder eint: Die Ziele sind unter den momentanen Bedingungen kaum zu erreichen, zu hohe Baukosten, herausfordernde Finanzierungskonditionen und langwierige bürokratische Prozesse. Gleichzeitig stellt der Klimaschutz die Wohnungswirtschaft vor neue Herausforderungen. Hierzulande, aber auch im Nachbarland.

Das Sanierungsprojekt „FENIX 1“ in Rotterdam war ein Ziel der Exkursion
Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Seriell, modular, digital, vorgefertigt

Das sind die Lösungsansätze in den Niederlanden und auch in Deutschland beherrschen diese Schlagworte die wohnungs-politische Debatte.

Beim modularen und seriellen Bauen sind die Niederlande allerdings gefühlt einen Schritt weiter als Deutschland. In puncto Aufstockung mit modularen Wohnungen zeigt das Beispiel eines lokalen Rotterdamer Wohnungsunternehmens, dass in den Niederlanden deutlich mehr möglich ist. Es ist nicht die Frage, wo aufgestockt wird – dazu wurden alle Gebäude des Unternehmens qualifiziert – die Frage ist nur, wie hoch auf-gestockt wird.

So besteht auch die Chance, ein dreigeschossiges Gebäude mit vier weiteren Geschossen aufzustocken. Der Holzbau und eine Verstärkung der Statik durch externe Stützen machen es möglich.

„Optoppen“ – hoch hinaus

So heißt die Aufstockung auf Niederländisch, ist in einer Stadt wie Rotterdam, welche einer vertikalen Stadterweiterung offen gegenübersteht, natürlich deutlich leichter umzusetzen als in ländlicheren Bereichen.

Die „Nimbys“ (englisch für „Not in my backyard“ – gleichbedeutend mit „überall, aber bitte nicht vor meiner Haus-tür“) fürchten allerdings auch in den Niederlanden die Verschattung und so haben auch dort Wohnungsunternehmen mit der gewollten Verzögerung und Verhinderung von zusätzlichem Wohnraum und Nachverdichtung ihre Erfahrungen gemacht.

Dabei bietet die Aufstockung auch neue Qualitäten für die vielen Quartiere, die auf dem zweitägigen Programm der Fachexkursion standen. Viele Wohnungen werden der aktuellen Nachfrage nicht gerecht. Mit den Dachmodulen sind in der gewohnten Nachbarschaft auch kleinere, altersgerechte Wohnungen verfügbar. Ein Projekt verfolgte explizit das Ziel, altersgerechtes Wohnen Tür an Tür mit geförderten Wohnungen für junge Berufseinsteigerinnen und -einsteiger zu verbinden.

„Versnellen“, zu Deutsch „Beschleunigen“, noch ein Wort aus dem niederländischen Bauvokabular. Gemeinsam mit dem Staatsministerium und den regionalen und kommunalen Akteuren sollen Netzwerke aus Wohnungswirtschaft, Politik, Bauindustrie und weiteren relevanten Stellen vor Ort für schnellere Verfahren und beschleunigte Umsetzung der Projekte sorgen. Und das aus gutem Grund, denn im Neubau und auch bei der energetischen Modernisierung von Wohnungen sind Tempo, Effizienz und Nachhaltigkeit gefragt.

Der Klimaschutz im Bestand, aber auch die hohen Baukosten, das knappe Bauland und die gestiegene (und voraussichtlich weiter steigende) Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen rufen nach effizienten, smarten und nachhaltigen Ansätzen.

Quelle: VdW Rheinland Westfalen

Digitalisierung im Bau: BIM

Wie lassen sich Bauprozesse und auch die Planung neuer Wohnungen mit digitaler Unterstützung realisieren? Welcher Grad an digitaler Steuerung ist für die Umsetzung von seriellen Lösungen nötig und wo sind individuelle Lösungen gefragt?

Das niederländische Planungsbüro Productivity arbeitet an digitalen Lösungen im Bestand und im Neubau und will damit auch die Dauer von Genehmigungen verkürzen und das serielle Bauen vereinfachen.

„Wie machen die das?“ – Genau das war der Gedanke, als die Idee zu einer Fachexkursion in die Niederlande aufkam. Im Dialog zeigte sich aber auch, dass Nordrhein-Westfalen in puncto Förderung besser dasteht. Auf Niederländisch präsentierte VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter die wohnungspolitischen und förderpolitischen Rahmenbedingungen des Landes Nordrhein-Westfalen.
Die enge Kooperation zwischen der sozial orientierten Wohnungswirtschaft und der NRW-Landesregierung sowie die umfänglichen Mittel der Wohnraumförderung sind in den Niederlanden nicht die Norm. In Sachen Förderung steht Nordrhein-Westfalen deutlich besser da als die Nachbarn.


Der stetige Dialog mit den niederländischen Nachbarn, die bereits im Frühjahr in Bochum bei der Fachexkursion zum seriellen Sanieren zu Gast waren, bringt immer wieder frische Ideen, der Verband freut sich auf den weiteren Austausch, der schon bald auf dieser Seite der Grenze stattfinden wird.

Quelle: VdW Rheinland Westfalen