Herausforderung Umnutzung – wie aus Büros ein Wohnquartier wurde
Michael Ammann,
seit 2014 Vorstand der Wohnungsgesellschaft des rheinischen Handwerks, gibt einen umfassenden Einblick in ein anspruchsvolles und herausforderndes Umnutzungsprojekt seines Wohnungsunternehmens.
Bestand ist Trend, graue Energie das neue Gold, Abrissverbote, Umbau bestehender Gebäude: Einige Schlagworte der aktuellen Diskussion in Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Die Umbauidee ist nicht neu, schon seit rund 15 Jahren gibt es Projekte zur Umnutzung von Bürogebäuden in Wohnungen. Noch präsenter wurde dieses Thema durch die Corona-Pandemie. Führt Homeoffice zu leeren Bürobauten, die als Ressource für die dringend gebrauchten Wohnungen dienen könnten? Und natürlich durch die Klimaschutzdebatte, die den Neubau unter Generalverdacht stellt.
Gastbeitrag von:
Vorstand der Wohnungsgesellschaft des rheinischen Handwerks AG, Köln
Die Wohnungsgesellschaft des rheinischen Handwerks AG (WRH) hat ein Büro- und Lagerhaus aus den 60er-Jahren in der Kölner Innenstadt aufwendig zu neuem Wohnraum umgebaut – ein Praxisbericht.
Im Gegensatz zum Neubau gibt es bei der Umnutzung keine Geburtsstunde. Es existiert ein Gebäude, das im Laufe seines Lebens bereits viele, oft nicht dokumentierte Änderungen erfahren hat. Unbekanntes muss aufgeklärt werden und auch bis zum Baubeginn ist nicht alles bekannt. Diese Unsicherheit führt zu Risikopuffern in der Finanzierung und zu bestimmten Entscheidungen über die Ausführung.
Die Flächen des ehemaligen Bürogebäudes waren nur über zwei weit auseinanderliegende Treppenhäuser erschlossen. Diese bürotypische Zuwegung erschwert die Umwandlung in die kleinteiligere Wohnnutzung. Ein besonderes Risiko besteht in gefährlichen Baustoffen, die in den Bauperioden verbaut wurden. Deshalb ist die frühestmögliche Identifizierung wichtig. In diesem Fall wurden Schadstoffe in Fensterdichtungen gefunden und erst später entdeckte man auch im Treppenhaus problematische Materialien.
Welche Möglichkeiten ein Bestandsgebäude bietet, liegt v.a. an der Statik. Für die angestrebte Aufstockung mussten Traglastreserven identifiziert werden. Bei Umwandlungen zu Wohnungen liegen diese Reserven in der Regel vor, da bei der Wohnnutzung die geringsten Lasten angesetzt werden. Das Rahmentragwerk des Gebäudes bot mit wenigen Stützen und aussteifenden Betondecken ausreichende Flexibilität für die Grundrissgestaltung.
Die Obergeschosse mussten auf den Rohbauzustand zurückgebaut werden. Außer den Wänden, den Decken und den Stützen ließ sich nichts wiederverwenden. An „Urban mining“ war nicht zu denken.
Schwieriger Start
Ein Wichtiges Thema sind die neuen Abstandsflächen. Auslöser war zum einen die angestrebte Aufstockung, zum anderen die bloße Tatsache der Umnutzung. Der für das Gebiet geltende Bebauungsplan war keine Hilfe, da er nur die bestehende Bebauung nachzeichnete. Die weiteren Eigentümerinnen und Eigentümer der betroffenen Nachbargebäude mussten von einer Zustimmung überzeugt werden. Die Bemühungen scheiterten nur an zwei Einzeleigentümern mit unerfüllbaren finanziellen Forderungen und einer WEG, da sich die erforderliche einstimmige Zustimmung praktisch nicht erreichen lässt. Im Ergebnis musste die Aufstockung reduziert werden.
Hier zeigt sich ein allgemeines Problem bei innerstädtischen Umnutzungsprojekten. Da es die dargestellte Konstellation häufig gibt, muss Stadtplanung präventiv agieren. Dies kann sie beispielsweise über Abstandsflächensatzungen oder perspektivisch angelegte Bebauungspläne.
Die WRH als Bauherr plante das Haus als Mietwohnungsanlage für den Eigenbestand. Entsprechend ergab sich ein Spannungsfeld aus architektonischer Qualität, städtebaulicher Einordnung und Wirtschaftlichkeit. Für ein relativ kleines Wohnungsunternehmen wie die WRH bedeutete dies, dass sich kein Generalunternehmer involvieren lässt. Vielmehr braucht es ein Planungs- und Bauleitungsteam, mit dem sich die beiden Bausteine gemeinsam bewältigen lassen. Entsprechend kam für die WRH nur ein beschränkter Architekturwettbewerb in Frage. Ein offener Wettbewerb mit ggf. schwer umsetzbaren Entwurf und einem unerfahrenen Planungsteam ist nicht leistbar.
Im Ergebnis entschied sich die WRH für einen Vorschlag, der für die Erschließung einen vorgestellten Laubengang an der Rückseite vorsah. Die Grundrisse ließen sich fast überall durchstecken, das Gebäude wurde gut ausgenutzt und die bestehenden Treppenhäuser weiterverwenden.
Ein typisches Problem ist die Ver- und Entsorgung, da im Bürohaus diese Einrichtungen an wenigen Orten positioniert sind. Alle Leitungen wurden schließlich an die Decke des Erdgeschosses gelegt, was Einbußen in der Qualität der Erdgeschosszone brachte. Es waren mehr als 1.000 Kernbohrungen nötig, um die Wege für die Stränge freizulegen.
Herausforderung und Belastung waren die Einrichtung und der Betrieb der Baustelle in einer sehr beengten Situation. Immerhin musste das Gebäude bis auf den Rohbauzustand zurückgebaut werden, was über 1.800 Tonnen Bauschutt und 200 Lkw-Fahrten verursachte.
Klimaschutz durch Umnutzung?
Die Entscheidung zur Sanierung entlastet die Umwelt wesentlich. Zwar fielen enorme Abfallmengen an, die ein kompletter Rückbau deutlich übertroffen hätte. Abriss und Neubau waren schlicht nicht notwendig, da das Gebäude statisch sowie baulich gut funktionierte und gut ausgenutzt werden konnte. Angesichts des fehlenden Wärmeschutzes der Fassade und der alten Alufenster ließen sich bei der Effizienz massive Verbesserungen erzielen, die über Kfw-Fördermittel finanziert wurden. Der dritte Baustein war die Umstellung der Heizungs-/ Warmwasserversorgung von Öl auf Fernwärme, was jährlich mehr als 100 t CO2 einspart. Zuletzt wurden alle Flachdächer extensiv begrünt. Jetzt tragen 1.200 m² begrünte Fläche dazu bei, Starkregen aufzunehmen und das Gebäude im Sommer zu kühlen.
Ist das günstiger?
Umnutzung ist – anders als in „Studien“ kolportiert – nicht günstig. Nicht nur die Haustechnik wird ausgetauscht, Statik und Brandschutz müssen im engen Rahmen auf Stand gebracht werden. Gerade bei älteren Gebäuden ist auch der Aufwand für die Gebäudeeffizienz enorm. Dazu kommen – gern vergessen – die Anschaffungskosten. Vieles lässt sich nicht vor dem Ankauf klären: deutlich höhere Risiken werden eingegangen. Dazu kommen die Unwägbarkeiten während des Bauprozesses. Die langen Projektzeiten erschweren die Kalkulation, da sich die Risiken im Zeitablauf kumulieren können. Kostenberechnungen werden von der „Bauflation“ überholt, Förderbedingungen ändern sich.
Im Projekt beliefen sich die Baukosten (Kostengruppe 200–700, Niveau 2017) auf über 2.500 €/m² brutto. Kostenangaben aus „Studien“ von unter 1.500 €/m² sind nicht nachvollziehbar.
Die Projekte eignen sich auch nicht gut für sozialen Wohnungsbau. Die vielen Risiken erschweren es, die Wohnraumförderung zu beanspruchen, da die im Prozess auftretenden Kostensteige-rungen nicht durch höhere Mieten kompensiert werden können. In den Boomregionen wurden die Projekte vorwiegend als Eigentumsmaßnahmen oder Mikroapartmentprojekte realisiert.
Ein Ausblick
Wohin die Reise mit der Ressource für die Umnutzung von Büros noch geht, ist unklar. Vieles deutet darauf hin, dass sich der Bedarf tatsächlich reduziert und sich zudem stadtregional neu verteilt. Gefahr besteht für periphere und schlecht erschlossene Lagen. Genau das spricht deutlich gegen eine Ausbreitung von Umwandlungsprojekten in für Wohnen akzeptable Gegenden. Zudem eignen sich nicht alle Büroobjekte für einen Umbau. Bauten der 1960er- und 1970er-Jahre mit Bürolandschaften und Großraumbüros, lassen sich aufgrund ihrer Gebäudetiefen und Decken nicht umnutzen.
Grundsätzlich ist die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum ein geeignetes Instrument, sie wird aber quantitativ in einer Nische bleiben und nur in höherpreisigen Marktsegmenten eine Rolle spielen. Trotzdem muss es darum gehen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. So sind Bestrebungen wie die von der Bundesarchitektenkammer vorgeschlagene „Umbauordnung“ zu unterstützen, während extremistische Fallbeilaktionen wie das Abrissmoratorium abzulehnen sind. Umnutzen um „jeden Preis“ ist nicht zielführend.
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