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Sind Gebäude-energiegesetz und EU-Gebäuderichtlinie umsetzbar?

Schon der Klimaschutz auf nationaler Ebene durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) stellt Wohnungs-unternehmen und -genossenschaften vor erhebliche Herausforderungen. Der Umstieg von fossil betriebenen Heizungsanlagen, wie etwa Gas-Zentralheizungen, auf neue, klima-freundliche Systeme ist mit hohen Investitionen verbunden.

Parallel verläuft in Brüssel auf europäischer Ebene das Trilogverfahren zur Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie, die vor allem auf die Energieffizienz abzielt und ebenfalls eine Herausforderung für den Wohnungsbestand darstellen wird.

Europäische Vorgaben und nationale Klimaziele

Der Klimaschutz nimmt für die Wohnungswirtschaft einen hohen Stellenwert neben dem Kerngeschäft der Vermietung ein.

Das Ziel, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, wird auf EU-Ebene stark vorangetrieben und die dort beschlossenen Richtlinien und Verordnungen haben direkte Auswirkungen für Deutschland, das das Ziel der Klimaneutralität bereits 2045 erfüllen will.

Mit rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und 30 Prozent der CO₂-Emissionen ist der Gebäudesektor ein wichtiger Adressat der Klimapolitik auf europäischer und nationaler Ebene, die vor allem Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Klimaanpassung umfasst.

Parlament, Rat und Kommission
verhandeln im Trilog

Die wesentlichen in Brüssel beschlossenen Rechtsakte sind entweder unmittelbar für alle EU-Mitgliedsstaaten gültig (Verordnungen) oder müssen in nationales Recht übernommen werden (Richtlinien). So ist das Gebäudeenergiegesetz GEG, wie es 2020 eingeführt wurde, eine Umsetzung der Vorgaben aus der 2018 beschlossenen EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und der EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED).

Auch die derzeit auf EU-Ebene diskutierte Neuerung der EU-Gebäuderichtlinie wird nach dem europäischen Beschluss in nationales Recht übertragen. Die EU-Gesetzgebung hat somit großen Einfluss auf die deutsche Klimapolitik.

Aus diesem Grund wird derzeit in Deutschland viel über die neue Gebäuderichtlinie diskutiert. Die Richtlinie, die zum Ziel hat, die Sanierungsquote in allen EU-Staaten voranzutreiben, befindet sich aktuell im Trilogverfahren, in dem EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union sich unter Beteiligung der EU-Kommission auf einen gemeinsamen Entwurf für die Richtlinie einigen. Zuvor hatten alle drei Institutionen eigene Vorschläge öffentlich gemacht.

Vorschläge werden hohe Investitionen in den Bestand auslösen

Der im Frühjahr beschlossene Vorschlag des Parlaments sieht vor, dass bis 2030 alle Gebäude den Energieeffizienzstandard E haben, bis 2033 dann den Effizienzstandard D. Dies würde bedeuten, dass in Deutschland rund 45 Prozent der Wohngebäude bis 2033 saniert werden müssen, was laut GdW mit jährlichen Investitionskosten von mindestens 125 Milliarden Euro verbunden wäre.

Der Rat hatte zuvor ebenfalls einen Vorschlag eingebracht, der vorsieht, dass der durchschnittliche Primärenergiebedarf im Gebäudebestand 2033 der Effizienzklasse D entsprechen soll. Der Vorschlag zielt also auf den Gebäudedurchschnitt ab, wohingegen der Entwurf des Parlaments bis 2033 Maßnahmen für alle Gebäude vorsieht, die nicht mindestens Effizienzklasse D erfüllen.

Der Vorschlag des Rats sieht somit insgesamt ein aus wohnungspolitischer Sicht realistischeres Vorgehen bei der Steigerung der Energieeffizienz vor. Im Rahmen des Trilogs soll nun ein Kompromiss zwischen beiden Entwürfen gefunden werden.

Milliarden Euro pro Jahr
Investitionen in den Wohnungsbestand würde die Sanierung von 45 % der Gebäude bis 2033 auslösen
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Ein Blick auf Deutschland

Deutschland hat sowohl über den Rat als auch über das Parlament Einfluss auf die Entscheidungen des Trilogverfahrens. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbau-ministerin Klara Geywitz haben sich kürzlich öffentlich gegen die verschärften Anforderungen der Sanierungspflicht durch das EU-Parlament ausgesprochen. 

Geywitz hatte zudem den Quartiersansatz bei den Verhandlungen ins Spiel gebracht, der nun auch auf EU-Ebene diskutiert wird. Aktuell steht noch nicht fest, wann der Trilog abgeschlossen sein und wie die neue Gebäuderichtlinie konkret aussehen wird. Absehbarer sind hingegen bereits die Auswirkungen der am 8. September 2023 vom Bundestag beschlossenen Novelle des Gebäudeenergiegesetzes.

„Heizungsgesetz“ – Entscheidung nach langer Debatte.

Dieses tritt nun zum 1. Januar 2024 in Kraft und legt fest, dass grundsätzlich alle neu eingebauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden müssen. Die Pflicht dazu greift in Bestandsgebäuden nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung, in großen Städten also ab dem 30. Juni 2026 und in Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern ab dem 30. Juni 2028. 

Ab diesem Zeitpunkt müssen kaputte Heizungen dann gegen neue, klimafreundliche Heizungsanlagen ausgetauscht werden. In Neubaugebieten gelten die Regelungen umgehend ab dem 1. Januar 2024.

Zusammenspiel von nationaler und
europäischer Regulatorik

Während die Gebäuderichtlinie sich also auf den Sanierungszustand des Gebäudes, also die Gebäudehülle, bezieht, adressiert die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes die Heizungsanlagen und ihre Umstellung auf erneuerbare Energien, also die Energieversorgung. Zur Umsetzung eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 müssen über den Gebäudedurchschnitt hinweg beide Aspekte zusammenwirken – die Energieeffizienz muss gesteigert und fossile Energieträger müssen durch erneuerbare Energien ersetzt werden. 

Das ist auch den VdW-Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften bewusst, die im Rahmen ihrer Klimastrategien beides berücksichtigen und darauf aufbauend einen Modernisierungsfahrplan für ihre Gebäudebestände festlegen. Darin definieren sie, welche Maßnahmen an welchen Gebäuden zu welchem Zeitpunkt erforderlich und machbar sind, um 2045 klimaneutral zu sein.

Klimaneutrale Bestände bis 2045 zu schaffen, ist dabei ein sehr ambitioniertes Ziel. Damit dieses erfüllt werden kann, muss es von realistischen und langfristigen rechtlichen Rahmenbedingungen flankiert werden, welche die damit verbundenen Herausforderungen berücksichtigen, Planungssicherheit ermöglichen und Freiraum für individuelle, auf die unterschiedlichen Gebäudeanforderungen abgestimmte Investitionsentscheidungen lassen.

Bezahlbares und klimagerechtes Wohnen unter Druck

Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, können Wohnungsunternehmen und -genossenschaften ihre Klimastrategien nicht angemessen umsetzen und ihre Ziele nicht erfüllen. Es ist daher ein wichtiger Schritt, dass das Gebäudeenergiegesetz mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt wurde und die GEG-Vorgaben erst gelten, wenn Informationen zur Verfügbarkeit von Wärmequellen zur Verfügung stehen. 

So können diese Informationen in die Klimastrategien integriert und darauf aufbauend die Umstellung auf erneuerbare Energien geplant werden.

Mit Blick auf die EU-Gebäuderichtlinie muss nun sichergestellt werden, dass auch sie die oben genannten Kriterien erfüllt und die Politik spätestens bei der Umsetzung in deutsches Recht darauf achtet, dass sie das langfristige Ziel der Klimaneutralität flankiert und es nicht durch zu ambitionierte, nicht erfüllbare Zwischenziele gefährdet. Um Klimaneutralität zu ermöglichen braucht es in erster Linie erneuerbare Energieträger.

Doch nur, wenn der Energieverbrauch im Gebäudedurchschnitt durch eine Steigerung der Energieeffizienz gesenkt wird, stehen ausreichend erneuerbare Energien zur Verfügung, um das Ziel zu erreichen. Dieses Zusammenspiel gilt es bei der bevorstehenden Umsetzung der Gebäuderichtlinie zu berücksichtigen.

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