Die Regenwassermanager
Seit vielen Jahren sind Carsten Unterberg und Andreas Zaremba ein Team beim Bauverein zu Lünen. Um den ein oder anderen Spruch sind beide Vorstände nicht verlegen. Um Lösungen ebenso wenig. Im Besprechungsraum mit großen Panaromafenstern und direktem Blick auf die Bauverein-Großbaustelle an der Langen Straße kommen die beiden rund ums Wasser schnell ins Erzählen: Schon vor 25 Jahren setzte der Bauverein zu Lünen sein erstes Projekt in Sachen Regenwasser-Management um. Er entkoppelte die Siedlung „Osterfeld“ komplett von der Regenwasserkanalisation. Ihr Motto: Ressourcen schonen und einfach mal machen. Ihr Ziel: Die Kosten senken. Und zwar für die Genossenschaftsmitglieder.
Dynamik, Spaß und Leidenschaft
Diese Herangehensweise haben sich beide bewahrt. Unterberg, seit 2007 im Unternehmen, erst als technischer Leiter heute als technischer Vorstand, bringt es auf den Punkt: „Wir sind einfach sehr dynamisch, haben Spaß und Leidenschaft und wollen es einfach richtig machen.“ Zaremba, seit mittlerweile 45 Jahren im Unternehmen, ergänzt, dass man beim Bauverein schon immer etwas probiert habe und Wasser für den Bauverein ein hochrelevantes Zukunftsthema sei.
Diese Kultur trägt die Genossenschaft bis heute. Ausgehend vom „Osterfeld“ entwickelte die Genossenschaft kontinuierlich weitere Lösungen zum Wassermanagement. „Sauberes Wasser im Straßenkanal fand ich noch nie zielführend“, so Unterberg, der sich selbst als bekennenden Lang- und Heißduscher bezeichnet. „Am besten bleibt es auf dem Grundstück, am besten zu 100 Prozent.“
Bessere Voraussetzungen im Bestand
Im Bestand, zu dem beim Bauverein rund 5.500 Wohnungen zählen, lässt sich das in der Regel leichter umsetzen als im Neubau. Entscheidend hierfür sind die größeren Freiflächen. In vielen Beständen fänden sich noch parkähnliche Grünanlagen mit großen, voluminösen Bäumen, beschreibt Zaremba die Situation in etlichen Quartieren vor Ort. Hier ließen sich in der Regel ohne Weiteres Mulden ausbilden und bepflanzen, die das Speichern und Versickern von Regenwasser begünstigen und so den Wasserkreislauf und das Grundwasser anreichern. Auch die oft im Gegensatz zum Geländeniveau höher angelegten Eingangsbereiche wirken sich begünstigend auf den Umgang mit Wasser aus.
Im Neubau gestaltet sich die Aufgabe schwieriger und komplexer. „Hier stellen wir uns zu Beginn als Erstes die Frage: Wie verdichtet ist die Lage?“, erklärt Unterberg. Im Vergleich zu früher hat sich sowohl der Anforderungskatalog an den Wohnungsbau als auch der Umgang mit Flächen spürbar verändert. So müsse beispielsweise ein Stellplatz je Wohnung nachgewiesen werden.
Wie diese Herausforderung nachhaltig, ökologisch und ökonomisch klug gemeistert werden kann, zeigt Unterberg anhand eines kolorierten Gestaltungsplans, den er extra für den Besuch mitgebracht hat. Auf der Fläche eines ehemaligen Autohauses errichtet der Bauverein zu Lünen in den kommenden Jahren unter anderem 61 klimagerechte, barrierefreie und frei finanzierte Wohnungen, mit Wasserflächen im Atrium. Die Flächen werden auf dem Dach der Tiefgarage, mitten im Quartier angelegt.
Wasserfläche statt Dachbegrünung
Bewusst entschied sich die Genossenschaft gegen ein Gründach: „Das muss bewässert werden und wäre mit großformatiger Bepflanzung wie Bäumen gar nicht kompatibel,“ nennt Unterberg den Grund. Die in den Bestand integrierte Wasserfläche verfügt über deutlich mehr Talente: Neben dem Kühlungseffekt und einer hohen Aufenthaltsqualität kann über gezieltes Ablassen von Wasser passgenau auf Trockenphasen oder Starkregenereignisse eingegangen werden.
Zeichnen sich nach einer längeren Hitzeperiode mit großer Trockenheit beispielsweise größere Niederschlagsmengen ab, können die Böden bis zum Einsetzen der Regenfälle vorgewässert werden. Das erhöht bei größeren Niederschlagsmengen die Aufnahmemöglichkeit von Wasser. Parallel dazu werden Rigolen und Zisternen befüllt, um während anschließender Trockenperioden weiter bewässern zu können.
Für die Planung der Wasserfläche hat sich die Genossenschaft extra Know-how eingekauft. „So eine große Wasserfläche muss bewegt und gefiltert werden, das biologische Gleichgewicht muss am Ende stimmen“, so Zaremba. Und fügt lachend hinzu: „Vermutlich werden irgendwann sogar Fische darin schwimmen, die wir aber so gar nicht vorgesehen haben.“
«Im Neubau stellen wir uns als Erstes die Frage: Wie verdichtet ist die Lage?»
– Carsten Unterberg
Forschungsprojekt zu Grauwasser
Neue Erkenntnisse sammeln, Technologien entwickeln und optimale Lösungen schaffen war auch schon die Triebfeder für das Neubauprojekt „Preußenquartier“. Auf dem alten Zechengelände Preußen I/II im Lüner Stadtteil Horstmar errichtete die Genossenschaft 78 teils öffentlich geförderte, teils frei finanzierte Wohnungen. Das Besondere daran: In einem Teil der Häuser läuft ein Forschungsprojekt mit dem Dortmunder Fraunhofer-Institut, dort wurde das sogenannte i.WET-System (Integriertes WasserEnergieTransitionskonzept) implementiert.
Eine unscheinbare, als Grünstreifen gestaltete Mulde mit Bodenfilter spielt dabei eine zentrale Rolle. Dort wird einerseits das Regenwasser aus dem Quartier eingeleitet, aber auch nicht genutztes Wasser aus der Grauwasseraufbereitung, also der Aufbereitung des Wassers, das beim Duschen oder Händewaschen anfällt. Für dieses Wasser wurde im Haus ein System zur Wiederverwendung installiert.
Zum einen wird das aufbereitete Grauwasser dort wieder eingesetzt, wo nicht zwingend Trinkwasser benötigt wird, zum Beispiel bei der Toilettenspülung. Eine andere Technik nutzt die Restwärme. Dem warmen Wasser wird über eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe Energie entzogen, diese Energie wird dann dem Heizsystem wieder hinzugefügt.
Ob das effektiv ist, wird vom Fraunhofer-Institut über ein Jahr überwacht und ausgewertet. Doch die erste Prognose klingt gut, das anfallende Badezimmerwasser ist in ungefähr so viel, wie auch die Toilettenspülung braucht, etwa 30 Prozent des Trinkwasserbedarfs. „Im WC sind ja nun wirklich keine Dinge drin, für die man aufbereitetes Trinkwasser benötigt“, macht Unterberg deutlich.
Durch die Wärmerückgewinnung aus dem Grauwasser können voraussichtlich immerhin rund zehn bis 30 Prozent des Wärmebedarfs gedeckt werden. Bestätigen sich die vielversprechenden Aussichten, wollen die beiden Vorstände das Verfahren weiter ausrollen.
«Vermutlich werden irgendwann sogar Fische darin schwimmen, die wir aber so gar nicht vorgesehen haben.»
– Andreas Zaremba
Projekt „Preußenquartier“
Auf dem alten Gelände der Zeche Preußen erprobt die Genossenschaft mit dem Dortmunder Fraunhofer-Institut in einem Modellversuch wasser- und wärmebezogene Ansätze zur Nutzung von Grauwasser.
Ressourcen schonen, in Kreisläufen denken
Die Freude an neuen Ideen nimmt man den beiden Vorständen in Lünen ab – spätestens wenn sie über die Herangehensweise berichten, mit der sie die Genossenschaft in den vergangenen Jahren zukunftsfähig aufgestellt und kontinuierlich weiterentwickelt haben, zum Beispiel durch eine Eingruppierung des Portfolios mit Blick auf Klimaneutralität. „Wie geht man in Zukunft mit Ressourcen um und wie lässt sich in Kreisläufen denken? Diese grundlegenden Fragen sollten sich alle grundsätzlich stellen“, antwortet Unterberg zum Abschluss auf die Frage, wo er das Thema Wassermanagement im Siedlungsbau mit Blick auf die gesamte Branche sieht. Dabei schaut er auf die mittlerweile verregnete Großbaustelle gegenüber. Ohne Wasser geht es in Lünen einfach nicht.
Projekt „Mercedes-Gelände“
Seit Herbst 2022 laufen die Arbeiten auf dem ehemaligen Mercedes-Gelände nahe der Lüner Innenstadt. 61 neue Wohnungen entstehen hier. Das Besondere am Projekt: Eine weitläufige Wasserfläche, die über der Tiefgarage angelegt wird. Sie erhöht die Aufenthaltsqualität und speichert Regenwasser, das auf dem Grundstück weiterverwendet wird.
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