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Was passiert in Brüssel? Hintergründe zur EU-Gebäude­richtlinie

Die Neufassung der sogenannten Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, kurz EPBD) ist Teil des europäischen „Fit for 55“-Pakets, einem Arbeitsprogramm der EU-Kommission von 2021. Das Paket enthält unterschiedliche Maßnahmen zur Überarbeitung von EU-Rechtsakten, die zur Klimaneutralität beitragen und dabei unterstützen sollen, das Ziel der Europäischen Union zu erreichen, bis 2030 55 Prozent der CO2-Emissionen zu reduzieren und somit einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 zu vollziehen. Die Änderungen sind dabei sektorenübergreifend geplant, betreffen also neben dem Gebäudesektor auch die allgemeine CO2-Reduktion und weitere Nachhaltigkeitsaspekte bspw. im Verkehr und im Energiesektor.

Rechtliche Grundlage der Richtlinie

Alle Mitglieder der Europäischen Union haben gewisse gesetzgeberische Kompetenzen an die EU abgetreten und verpflichten sich dazu, die EU-Rechtsnormen zu befolgen. Dabei gibt es Zuständigkeiten, die allein der EU zustehen, Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten und geteilte Zuständigkeiten zwischen EU und Mitgliedsstaaten. Gemäß Subsidiaritätsprinzip muss dabei geprüft werden, ob ein Vorgehen auf EU-Ebene wirklich gerechtfertigt ist oder ob Handlungsmöglichkeiten ebenso gut auf nationaler oder regionaler Ebene erfolgen können. Denn grundsätzlich sollen gesetzgeberische Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden.

Bei der Energiepolitik handelt es sich um ein Feld, in dem geteilte Zuständigkeit zwischen EU und den Mitgliedsstaaten herrscht. So hat beispielsweise jedes Mitgliedsland das Recht, seine Energieträger selbst zu wählen. Obwohl Gebäude lokale Infrastrukturen sind, stellen unzureichende Renovierungsquoten ein gemeinsames Problem aller Mitgliedsstaaten dar. Die EU-Institutionen haben in ihrer Begründung zur Notwendigkeit der EPBD-Anpassung dargelegt, dass die Festlegung eines gemeinsamen EU-Rahmens bei gleichzeitiger Anpassung an die nationalen Gegebenheiten allen Akteuren Planungssicherheit bieten und die Handlungsbereitschaft stärken würde. Bei einer Richtlinie ist üblich, dass grundlegende Rahmenbedingungen festgelegt werden, an die sich alle Mitgliedsstaaten halten müssen. Anders als eine Verordnung gilt diese jedoch nicht unmittelbar, sondern muss erst in nationales Recht übertragen werden, wobei den Mitgliedsstaaten gewisse Freiheiten bei der Umsetzung ermöglicht werden.

Rechtliche Grundlage für den Eingriff im Rahmen der Gebäuderichtlinie ist der Art. 194 AEUV (des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union):

„(1) Die Energiepolitik der Union verfolgt im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt folgende Ziele: […]

  1. c) Förderung der Energieeffizienz und von Energieeinsparungen sowie Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und

(2) Unbeschadet der Anwendung anderer Bestimmungen der Verträge erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Ziele nach Absatz 1 zu verwirklichen. […]“

Entsprechend des o.g. Gesetzgebungsverfahrens hat die EU-Kommission am 15. Dezember 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden EU-Gebäuderichtlinie vorgelegt. Auf Basis dieses Vorschlags haben anschließend der Rat der Europäischen Union, bestehend aus Vertretenden der 27 Regierungen der Mitgliedsstaaten, und das EU-Parlament die Möglichkeit, eigene Vorschläge einzubringen. Anschließend folgt das Trilogverfahren, bei dem Rat und Parlament unter moderierender Rolle der Kommission einen Kompromiss erarbeiten, der abschließend noch einmal vom Parlament beschlossen werden muss. Nach dem Beschluss muss die Richtlinie dann in nationales Recht der Mitglieder übertragen werden. Aktuell befinden sich die drei Institutionen in den Trilogverhandlungen, die voraussichtlich noch in diesem Jahr abgeschlossen sein werden.

Zitat von Dr. Ingrid Vogler, Leiterin Energie und Technik, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilien-unternehmen

„Am 12. Oktober 2023 gab es bei den EU-Trilogverhandlungen zur EPBD einen Durchbruch. Es wird nach aktuellem Stand (14.11.2023, Anm. d. Red.) keine individuellen Sanierungspflichten geben, sondern einen Durchschnittsansatz über den Gebäudebestand der Mitgliedsstaaten: der Primärenergiebedarf muss bis 2030 um einen noch festzulegenden %-Satz sinken, die größere Hälfte der Einsparungen soll in Worst Performing Buildings erreicht werden. Dieser Kompromiss ist richtig und bietet die Chance auf Erreichung, wenn die finanzielle Unterstützung gewährleistet wird. Die ursprünglichen Ideen waren nicht realisierbar, weder das Kapital noch das Material oder die Menschen zur Umsetzung hätten gereicht. Hohe Ziele, die mit Ansage weit verfehlt werden, schaden dem Klimaschutz sehr.“

Quelle: Hero Design – stock.adobe.com

Folgende Positionen müssen dabei in Einklang gebracht werden:

Vorschlag der EU-Kommission vom 15. Dezember 2021
  • Ab 2030 müssen alle neuen Gebäude emissionsfreie Gebäude sein
  • alle neuen Gebäude des öffentlichen Sektors müssen ab 2027 emissionsfrei sein
  • Neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz werden auf EU-Ebene für Renovierungen eingeführt, wonach die schlechtesten 15 Prozent des Gebäudebestands der einzelnen Mitgliedsstaaten so modernisiert werden müssen, dass Nichtwohngebäude bis 2027 und Wohngebäude bis 2027 statt der Einstufung G mindestens das Niveau F haben,
  • also: Fokus auf die Gebäude mit der schlechtesten Gesamteffizienz
  • Harmonisierte Skala von A bis G bis 2025
Vorschlag des Rats der Europäischen Union vom 25. Oktober 2022
  • Ab 2030 müssen alle neuen Gebäude emissionsfreie Gebäude sein
  • Alle Gebäude des öffentlichen Sektors müssen ab 2028 emissionsfrei sein
  • Ausnahmen gibt es für historische Gebäude, Gebäude für Gottesdienste und Gebäude für den Verteidigungszweck.
  • Neue Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz auf EU-Ebene für Renovierungen auf Basis des Primärenergieverbrauchs.
  • Für Nichtwohngebäude sollen Schwellenwerte für die Gesamtenergieeffizienz festgelegt werden. Der erste Schwellenwert liegt unter 15 Prozent, der zweite unter 25 Prozent. Alle Nichtwohngebäude müssen bis 2030 unter dem Schwellwert von 15 Prozent und bis 2034 unter dem Schwellenwert von 25 Prozent liegen. Die Schwellenwerte würden auf der Grundlage des Energieverbrauchs des nationalen Gebäudebestands am 1. Januar 2020 festgelegt werden. Bei diesen Schwellenwerten kann zwischen verschiedenen Gebäudekategorien unterschieden werden.
  • Für Wohngebäude sollen Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz auf Grundlage eines nationalen Pfads festgelegt werden, der sich an den nationalen Renovierungsplänen mit dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 orientiert. Der nationale Pfad soll der Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs im gesamten Wohngebäudebestand im Zeitraum vom 2025 bis 2050 entsprechen, wobei zwei Kontrollpunkte die Fortschritte überprüfen sollen. Bis 2033 soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands bis 2033 mindestens auf dem Niveau D liegen und bis 2040 einem Wert entsprechen, der national zu bestimmen ist und die schrittweise Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs von 2033 bis 2050 entsprechend dem Umbau des Wohngebäudebestands in einen Nullemissionsgebäudebestand berücksichtigt.
  • Bei den neu eingeführten Ausweisen über die Gesamteffizienz soll eine neue Kategorie A0 für Nullemissionsgebäude stehen. A+ soll darüber hinaus anzeigen, wenn Gebäude zusätzlich erneuerbare Energien erzeugen und dadurch Stromnetze entlasten. Die Einstufung erfolgt grundsätzlich von A bis G
  • Alle neuen Gebäude sollen so konzipiert werden, dass ihr Potenzial zur Erzeugung von Sonnenenergie optimiert wird
Vorschlag des EU-Parlaments vom 14. März 2023
  • Alle Neubauten sollen ab 2028 emissionsfrei sein und bis 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden (bei technisch/wirtschaftlicher Vertretbarkeit)
  • Neubauten von öffentlichen Einrichtungen sollen bereits ab 2026 emissionsfrei sein
  • Auf einer Skala von A bis G, mit G den 15 Prozent der schlechtesten Gebäude, müssen Wohngebäude bis 2030 mindestens Klasse E und bis 2033 Klasse D erreichen.
  • Nichtwohngebäude und öffentliche Gebäude müssen das bis 2027 bzw. 2030 erreichen.
  • Die entsprechenden Maßnahmen können im nationalen Umsetzungsrecht definiert werden.
  • Ausnahmeregelungen gelten für Denkmäler und historische Gebäude, technische Gebäude, vorübergehend genutzte Gebäude und Gotteshäuser. Es können bei der nationalen Umsetzung zudem Ausnahmen für Sozialwohnungen gemacht werden, wo sich durch Renovierung Mieterhöhungen ergeben, die nicht durch Energieeinsparung ausgeglichen werden, außerdem sollen die Zielvorgaben in Abhängigkeit von wirtschaftlicher und technischer Machbarkeit sowie der Verfügbarkeit von Fachkräften angepasst werden können.

 

Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft beobachtet die Entwicklungen in Brüssel mit großem Interesse und wirbt dafür, die Bezahlbarkeit der Anforderungen, die aus den Neuerungen der EU-Gebäuderichtlinie zu erwarten sind, in einem angemessenen Verhältnis zu den Klimaschutzaspekten zu betrachten.

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