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N°1 – Der perfekte Sturm

Öffentliches Baurecht: Nachbarklage gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses

Die Schaffung von Baurecht nimmt häufig lange Zeit in Anspruch – etwaig erforderliche Bauleitplanverfahren und Baugenehmigungsverfahren dauern mehrere Monate oder gar Jahre. Kommen dann noch Einwendungen von Nachbarn oder Nachbarklagen gegen das geplante Vorhaben hinzu, verzögert sich die Schaffung neuen Wohnraums zusätzlich. Jedoch können sich Nachbarn nicht allein auf eine etwaig objektiv-rechtliche Unzulässigkeit eines Vorhabens berufen. Hinzukommen muss eine subjektive Rechtsverletzung des Nachbarn.

In einer jüngeren Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss vom 27.06.2023, Az. 10 B 478/23) daher noch einmal ausdrücklich festgestellt, dass ein grundsätzlicher Schutzanspruch des Nachbarn auf Nichtausführung eines nicht genehmigungsfähigen Vorhabens nicht besteht.

Nachbarklagen gegen eine Baugenehmigung haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig und der Nachbar dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Ist eine Verletzung subjektiver Rechte nicht gegeben, haben Nachbarn keinen Erfolg. Im konkreten Fall ist es dem Antragssteller nicht gelungen, eine subjektive Rechtsverletzung darzulegen, sodass sein Antrag keinen Erfolg hatte. 

Der Rechtsstreit

Das Grundstück des Klägers befindet sich im Innenbereich. Das geplante Vorhaben sollte daran angrenzend im Außenbereich errichtet werden. Das Gericht stellt entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts daher erneut fest, dass einem Eigentümer eines im Innenbereich liegenden Grundstücks ein (Gebietswahrungs-)Anspruch auf Erhaltung der Außenbereichsqualität eines benachbarten Grundstücks nicht zustehe. 

Ein unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen bestehender Anspruch auf Wahrung der Gebietsart besteht nicht. Die Freihaltung des Außenbereichs liegt allein im öffentlichen Interesse. Ein Anspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht gerade nicht.

Weiterhin stellte das Gericht fest, dass es ein subjektives Recht des Einzelnen auf eine gemeindliche Bauleitplanung nicht gibt. Durch das Unterbleiben der Planaufstellung, selbst wenn diese objektiv-rechtlich geboten sein sollte, kann der Nachbar nicht in subjektiven Rechten verletzt sein.

Zusammengefasst ist mithin festzustellen, dass nicht jede Rechtsverletzung zur Aufhebung einer Baugenehmigung führt. Der Nachbar muss darlegen, in subjektiv öffentlichen Rechten verletzt zu sein. 

Dies könnte beispielsweise die Verletzung von Abstandsflächen, einer drittschützenden Festsetzung im Bebauungsplan oder das Rücksichtnahmegebot sein. Im letzteren bedarf es einer Bewertung im Einzelfall, ob das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten eines Nachbarn verletzt ist. 

Denn das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme erfordert die Berücksichtigung sowohl der Interessen des Bauherrn als auch der Interessen der Nachbarn, die nach den jeweils vorliegenden Verhältnissen gegeneinander abzuwägen sind.