thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen

VdW-Verbandstag 2023: Wie gelingt die Transformation?

Das war die große Frage am 30. und 31. August 2023, als die sozial orientierte Wohnungswirtschaft in der Duisburger Mercatorhalle zum VdW-Verbandstag 2023 zusammenkam. 

Warum Duisburg? Weil die Transformation hier immer spürbarer wird. Duisburg ist Transformation. Einst bedeutendes Zentrum der Stahlindustrie Europas, heute: Standort chemischer Industrie und des Hafens samt Logistikindustrie und ein Standort der Transformation des öffentlichen Raums.

 

Ganze Stadtteile und die Wohn- und Stadtquartiere der sozial orientierten Wohnungswirtschaft verändern sich. Überall ist zu sehen, was Transformation bedeutet und welche Chancen darin stecken. Und genau das stand im Mittelpunkt des VdW-Verbandstages 2023: Wie gelingt es, bis 2045 einen klimaneutralen Wohnungsbestand vorzuweisen, der dann auch noch bezahlbar ist?

„Die Transformation trifft die sozial orientierte Wohnungswirtschaft in einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandlungsprozess hin zur Klimaneutralität unter Rahmenbedingungen, die wir in den letzten Jahrzehnten nicht erlebt haben: Hohe Baukosten, Zinswende, Fachkräftemangel, Baustellen geraten ins Stocken. Die Konsequenzen auf den Wohnungsmärkten werden wir alle spüren – wir, die Wohnungswirtschaft, aber vor allem die Menschen, die eine Wohnung, ein Zuhause suchen.“, fasste VdW-Verbandspräsidentin Marion Sett in ihrem eröffnenden Grußwort zusammen. Der Transformationsprozess muss voranschreiten, denn das klimapolitische Ziel ist klar: Klimaneutralität bis 2045. Dazu braucht es viele Projekte, die das Bauen und Wohnen bis dahin klimagerecht gestalten. Aber eben auch bezahlbar.

Quelle: VdW Rheinland Westfalen/Roland Baege

Erzeugung und Verbrauch von Wärme und Energie lokal gestalten

Ein wichtiger Hebel für eine erfolgreiche Transformation der Wohnungsbestände in NRW, die mehrheitlich in den 1950er- bis 1970er-Jahren erbaut wurden, liegt in der Abkehr von fossilen Rohstoffen. Erneuerbare Energien sollen zu einer klimaneutralen Wärme- und Energieversorgung von Wohn- und Stadtquartieren führen.

Nach der langen Debatte um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) stand im Sommer 2023 das grundsätzliche Vorhaben der Ampelkoalition fest. Der ursprünglich angestoßene Heizungstausch, der de facto nicht umsetzbar war, wird erst in mehreren Jahren erfolgen und zwar auch erst dann, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt.

Zu diesem Thema begrüßte VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter die NRW-Landesministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur auf dem VdW-Verbandstag 2023. Im Gespräch mit Norbert Riffel, VdW-Präsidiumsmitglied und Geschäftsführer des Verbandsmitglieds VBW Bauen und Wohnen, wurde schnell deutlich: Kommunale Wärmeplanungen sind ein unerlässliches Instrument für die Klimastrategie von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften.

Wo zukünftig Wohnungen mit Fernwärme beheizt werden können, braucht es vorher keine Investitionen und technische Aufwände für die Installation eines neuen Heizsystems, führte Riffel aus. Und wo das bereits erfolgt ist, darf es keinen Anschlusszwang an ein Fernwärmenetz geben.

Je eher die kommunale Wärmeplanung – die sinnvollerweise auch nicht an der Ortsgrenze enden sollte, sondern einen überkommunalen Blick einnehmen sollte – abgeschlossen wird, desto besser sind die Voraussetzungen für eine echte Wärmewende. Dann kann eine echte Transformation in den über 1,1 Millionen Wohnungen der VdW-Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften stattfinden.

NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur äußerte Verständnis für die Sichtweise der Verbandsmitglieder in Bezug auf die Wärmeplanung und stellte die Verbindung von Innovation und Technologie in den Mittelpunkt: „Wir müssen die Transformation zur Klimaneutralität und die Transformation der Digitalisierung als zwei Seiten einer Medaille denken.“ Nur so würden die Potentiale durch erneuerbare Energiequellen so genutzt werden, dass die Wärme- und Energieversorgung der Zukunft klimaneutral wird und dabei bezahlbar bleibt.

Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen

„Digitaler, hybrider, mobiler“

Wie die nachhaltige Stadtentwicklung verlaufen und gelingen kann, stellte Prof. Dr. Stephan A. Jansen, (Universität der Künste in Berlin) in seiner Keynote vor.

Er sieht die entscheidenden Personen für die Transformations-prozesse in den örtlichen Rathäusern. Seine These: Nachhaltige Stadtentwicklung gelingt durch eine zirkuläre Stadtplanung – nämlich durch die klar kommunizierte „Drohung“ der intervenierenden Regulierung, damit eine Gestaltung von unten Fahrt aufnimmt.

Je nach Kommune sieht er unterschiedliche Verläufe für den Bereich Wohnen. Entweder disruptiv und mit sozialen Spannungen oder eben partnerschaftlich. Ein entscheidender Schlüssel: Je nach dem wie eng die Kooperation mit den Akteuren vor Ort verläuft, wird auch die Stadtentwicklung als Gesamtes erfolgreicher verlaufen.

Was aber kommt in der Stadtentwicklung auf die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften als Partner der Städte zu? Prof. Jansen sprach auf dem Podium von Entwicklungstrends der Stadtentwicklung: Städte sollen unter anderem gesünder, digitaler, hybrider beim Wohnen, Arbeiten und in der Mobilität werden.

Er prophezeit eine Renaissance der Werkswohnungen und sieht in seiner weltweiten Analyse von Städten urbane Innovationen, die wieder mehr Grün in die Städte bringen – was er „Walking Forest“ bezeichnet.

Das Projekt „Urbane Zukunft Ruhr“ des Initiativkreises Ruhr steht für diesen Transformationsprozess, an dem unter anderem auch das kommunale Wohnungsunternehmen Duisburgs, das VdW-Verbandsmitglied GEBAG, mitwirkt.

Das Projekt, das auf dem Verbandstag vorgestellt wurde, konzentriert sich auf den Duisburger Stadtteil Hochfeld mit den Aktionsfeldern „Bildung und Soziales“, „Wohnen und öffentlicher Raum“ sowie „Mobilität“.

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und soll zur Blaupause für die Region werden. Ein „Walking Forest“ in Duisburg-Hochfeld? Vorstellbar, wenn die Menschen vor Ort das mittragen, sich einbringen und ihre Wohn- und Lebensumfeld mitgestalten können – gelebte Partnerschaft inmitten eines Transformationsprozesses, wie während der Gesprächsrunde auf dem Podium deutlich wurde.

Potentiale durch Konversionsflächen in Rheinland-Pfalz

Dass diese Transformationsprozesse von den lokalen Bedingungen abhängig sind – sowohl infrastruktureller, aber auch regionaler und vor allem politischer Natur, wird innerhalb des VdW Rheinland Westfalen besonders deutlich. Das Verbandsgebiet erstreckt sich nämlich über zwei Bundesländer mit jeweils eigenen Landesregierungen, politischen Prozessen und Ansätzen erstreckt.

Um die Transformationsprozesse im rheinland-pfälzischen Teil des Verbandsgebietes zu diskutieren, nahm der rheinland-pfälzische Staatssekretär im Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Stephan Weinberg, digital über eine Liveschaltung teil.

Vor allem die großen Konversionsflächen, die im Zuge der starken militärischen Präsenz während des Kalten Krieges entstanden und nun das Potential für zukunftsweisende Wohn- und Stadtquartiere aufweisen, als auch der Neuaufbau der von der Flut im Jahr 2021 betroffenen Gebiete, standen im Mittelpunkt des digitalen Gesprächs.

Quelle: Roland Baege/VdW Rheinland Westfalen

Bundesgesetzliche Rahmenbedingungen müssen stabil sein

Wenn Wohnungsunternehmen und -genossenschaften während des Transformationsprozesses etwas nicht gebrauchen können, dann ist es planerische Unsicherheit. Doch genau die verursachte die Bundesregierung mit der langen Debatte beim Heizungsgesetz, dem Wärmeplanungsgesetz und der damit einhergehenden Förderung.

Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft sieht den Förderrahmen als unzureichend an, da sie vor allem auf Eigenheimbesitzer abzielt, die vielen Millionen Mieterinnen und Mieter aber nicht auskömmlich umfasst.

Der VdW Rheinland Westfalen hat deshalb das Podium zu einem Gespräch mit zwei Mitgliedern des Bundestagsbauausschusses genutzt. Bauausschussvorsitzende Sandra Weeser, MdB (FDP), und Ausschussmitglied Anja Liebert, MdB (Bündnis ‘90/Die Grünen) diskutierten mit VdW-Präsidentin Marion Sett, VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter und GdW-Präsident Axel Gedaschko.

Axel Gedaschko berichtete von Gesprächen mit der Bundespolitik. Dass die Förderung nicht höher sei, liege vor allem daran, dass sie aus dem Klimafonds bezahlt werden solle, dieser aber mehrfach überzeichnet sei.

Die Bundestagsabgeordnete Anja Liebert erklärte daraufhin, der Fonds werde durch die CO2-Abgaben aber wieder gefüllt. Derzeit schielten allerdings viele politische Akteure auf diesen Fonds und wollten die Mittel für ihre Zwecke verausgaben. Was die Förderung betrifft, verbreiteten die Bundestagsabgeordneten zumindest bei der Wohnraumförderung und der Förderung für altersgerechte Sanierung Hoffnung, dass noch „die eine oder andere Schippe“ draufgelegt werden könnte.

Klar ist: Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft benötigt verlässliche Rahmenbedingungen. VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter verwies auf Frust innerhalb der Mitgliedschaft des VdW: „Immer wieder sagt die Politik: ‚Wir brauchen die kommunalen Wohnungsunternehmen und die Genossenschaften.‘ Die derzeitige Antwort der Politik ist das genaue Gegenteil.“

Transformationsprozess partnerschaftlich gestalten

Wie die Transformation in ihren einzelnen Bestandteilen konkret umgesetzt werden kann, bewegt sich auf vielen unterschiedlichen Ebenen. Auf der rein technischen Komponente bewegt sich der Markt. Die Lieferzeiten für Wärmepumpen, die sicherlich eine Schlüsseltechnologie für klimaneutrales Heizen in Wohnungen sein werden, verkürzen sich allmählich.

Auf politischer Ebene ist das Thema Wohnen auf höchster Ebene angelangt, selten erreichte eine wohnungspolitische Debatte, wie jene rund um das GEG, derart große mediale Resonanzräume wie im ersten Halbjahr des Jahres.

Und auch im Bereich der Stadtentwicklung tun sich neue Partnerschaften auf, die den bezahlbaren und klimagerechten, lebenswerten und bedarfsgerechten Wohnraum für die Menschen nicht nur aus ihrer eigenen Perspektive wahrnehmen und gestalten möchten, sondern den Blick auf die Sichtweise anderer Akteure weiten.

Die vielen Duisburger Projekte stehen stellvertretend dafür, was in den Städten und Gemeinden zukünftig Schule machen könnte: Ein gemeinsam vorangetriebener Transformationsprozess, der sowohl politische Akteure und Unternehmen verschiedener Branchen, aber vor allem auch die Menschen und die sozial orientierte Wohnungswirtschaft mitnimmt.

Der VdW Rheinland Westfalen bedankt sich bei allen Gästen und Teilnehmenden aus seinem Partnernetzwerk für die gelungene Durchführung des VdW-Verbandstages 2023.

Im kommenden Jahr wird dieser in Dortmund stattfinden.

Bildergalerie

Impressionen vom VdW-Verbandstag 2023