Wärme aus dem Maschinenraum

Der Wohnungswirtschaft wird zuweilen unterstellt, sie sei ein schwerer Tanker und nur mühsam zu steuern. Wenn dem so ist, dann muss dieser Tanker ein für seine Verhältnisse ziemlich schnelles Manöver vollziehen: die Wärmewende. Bis 2045 soll das Wohnen klimaneutral werden. Der Kurswechsel wurde auf der politischen Brücke eingeläutet, sie auszuführen obliegt unter anderem den Wohnungsunternehmen und -genossenschaften. Sie schwitzen ganz schön unten im Maschinenraum und versuchen alles, damit das Manöver gelingt.
Denn die Startbedingungen für die Wärmewende sind nicht besonders gut: Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft werden 48,3 Prozent aller Wohnungen in Deutschland mit Gas beheizt, 23,4 Prozent mit Öl. Und selbst die Fernwärme, die in 15,2 Prozent aller Wohnungen zum Einsatz kommt, wird laut Bundeswirtschaftsministerium zum größten Teil aus Gas gewonnen, gefolgt von Braun- und Steinkohle.
Durch die Bereitstellung von Energie (Wärme und Strom) wurden 2023 in Deutschland 569,2 Millionen Tonnen an Treibhausgasen ausgestoßen – das sind im Übrigen 84,5 Prozent aller deutschen Treibhausgasemissionen. 2045 sollen es bilanziell null sein.
Das ist Auftrag und Anspruch, dem sich auch die sozial orientierte Wohnungswirtschaft verschrieben hat und den sie über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) letztendlich auch erfüllen muss. Nun ist der Satz: „Wir wollen 2045 klimaneutral heizen“, schnell ausgesprochen. Die Umsetzung ist schwierig, mit viel Arbeit verbunden und teuer. Und darüber, dass das Heizen für die Nutzerinnen und Nutzer auch weiterhin bezahlbar sein soll, ist mit dem Satz auch noch nichts gesagt.
48% aller Wohnungen in Deutschland werden mit Gas beheizt

Wohnungswirtschaft möchte mitarbeiten
Dieses Heft ist ein Blick in den Maschinenraum der Wärmewende. Welche Optionen bieten sich Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, um klimaneutral zu heizen?
Welche Partner benötigen sie für die Umsetzung? Woran arbeiten Politik und Verwaltung? Per Gesetz wurde dem GEG die Kommunale Wärmeplanung sozusagen vorgeschaltet. Doch mit der Verabschiedung eines oder mehrerer Gesetze im Bundestag allein ist es nicht getan. Das wissen nicht zuletzt auch die im VdW organisierten Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, die im Jahr 2023 insgesamt knapp vier Milliarden Euro in Neubau und Bestand investiert haben – unter anderem mit dem Ziel, die Wärmeversorgung neu auszurichten.
Die Wohnungswirtschaft möchte deshalb im Wärmeplanungsprozess auch mitarbeiten. Auf Landesebene tut sie das, indem die Ministerien in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den VdW Rheinland Westfalen in die entsprechende Gesetzgebung einbeziehen. Auf kommunaler Ebene könnte es vielerorts besser laufen, da werden die ansässigen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften mal mehr, mal weniger an der Erstellung der Wärmepläne beteiligt. Ein positives Beispiel für die Einbeziehung der Wohnungswirtschaft ist Bochum. Ein Interview in dieser Ausgabe gibt Einblicke in diesen Prozess.
«Auf 20 bis 22 Grad Celsius muss Gerichtsentscheidungen zufolge eine Wohnung mindestens beheizt werden können. Ab 2045 ohne dass dabei CO₂ entsteht.»

Nach dem Gas
555.000 Kilometer umfasst laut Bundeswirtschaftsministerium das Erdgasverteilnetz in Deutschland, hinzu kommen Fernleitungen mit einer Länge von 40.000 Kilometern. Fließt dadurch demnächst nur noch grüner Wasserstoff, also Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien produziert wurde? Experten bezweifeln dies. Was aber tun mit der gebauten Infrastruktur?
Und wo neue schaffen? Denn Fern- und Nahwärmenetze werden gerade in dicht besiedelten Gebieten aller Voraussicht nach einen wichtigen Beitrag zur co₂-freien Wärmeversorgung leisten. Der Geologische Dienst NRW fährt dazu auf der Suche nach Tiefenerdwärme mit einem Vibro-Truck durch die nordrhein-westfälischen Städte. Wasser aus der Tiefe könnte ganze Stadtviertel mit Wärme versorgen. Das Wasser müsste nicht erst erhitzt werden, es ist schon heiß. Um es zu nutzen, muss aber erst neue Infrastruktur entstehen.
In der Erde schlummert allerdings nicht die einzige Quelle nachhaltiger Wärme. Biomasse, Grubenwasser, industrielle Abwärme, Kraft-Wärme-Kopplung: All diese Quellen bergen ein Potenzial für die nichtfossile Wärmeversorgung. Wo im Land welches Potenzial liegt, hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) in einer Studie für das Landesumweltministerium untersucht und im Energieatlas NRW veröffentlicht. Die Wärmestudie NRW – gewissermaßen die Bibel der Wärmeplanung.
Im Maschinenraum wird also derzeit kräftig gewerkelt. Auf 20 bis 22 Grad Celsius muss Gerichtsentscheidungen zufolge eine Wohnung mindestens beheizt werden können.
Ab 2045 ohne dass dabei CO₂ entsteht.
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Neustart
Manchmal hilft nur noch ein Neustart. Das gilt für die Wohnungspolitik auf Bundesebene genauso wie bei der Überplanung eines städtischen Quartiers oder in anderen wohnungswirtschaftlichen Zusammenhängen. Auf einmal tut sich gar nichts mehr, der Mauszeiger bewegt sich nicht mehr, das Bild auf dem Monitor ist eingefroren, der Computer ist abgestürzt. Nutzerinnen und Nutzer kennen diese Systemabstürze, oft hilft die Tastenkombination „Strg/Alt/Entf“, um den Computer neu zu starten. Und im besten Fall läuft er danach wieder stabil. Eine Art Systemabsturz hat im vergangenen Jahr auch die alte Bundesregierung erlebt. Nach Neuwahlen wurde Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt, seitdem regieren CDU/CSU und SPD das Land und bestimmen auch die Wohnungspolitik. In ihrem Koalitionsvertrag haben die Parteien einige Aussagen getroffen, welche die sozial orientierte Wohnungswirtschaft positiv gestimmt haben. Sie haben das Ziel, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, eher erreichbar erscheinen lassen, als dies unter der Ampel-Regierung der Fall war. Auch Marion Sett, Präsidentin des VdW Rheinland Westfalen, teilt diese Hoffnung, wie in einem Interview mit ihr in dieser Ausgabe zu lesen ist. Sie begrüßt etwa den im Vertrag vereinbarten „Wohnungsbau-Turbo“, mahnt aber: „Ohne politischen Umsetzungswillen bleibt er ein leeres Versprechen.“ In der Wohnungswirtschaft sind Neustarts keine Seltenheit. In Paderborn etwa wurden mit dem Teilabzug der britischen Armee große Gebiete in der Stadt frei, die jetzt nach und nach neu genutzt werden. Auf dem Gelände der Alanbrooke-Kaserne entsteht aktuell ein neuer Stadtteil. Um die vorgesehenen öffentlich geförderten Wohnungen zu bauen, hat die Stadt eigens vor ein paar Jahren ein Wohnungsunternehmen gegründet. Oder die Einführung einer neuen ERP-Software, gewissermaßen dem zentralen Nervensystem, wenn es um die betriebswirtschaftliche Bilanz geht: Auch hier besteht der Neustart in einem umfangreichen Prozess, der möglichst genau geplant werden so

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