In unseren heimischen Wäldern beginnt eine Reise, die in Wohnquartieren endet. In Solingen sind wir der Spur des Baustoffes Holzes gefolgt – bis nach Münster.
Früher Morgen am Solinger Waldrand: Der Nebel hängt zwischen den Bäumen, der Regen fällt in leichten Tropfen und die kühle Luft ist durchzogen von dem erdigen Duft des Waldes. In der Ferne hört man das Knacken der Äste, die sich im Wind biegen. Plötzlich durchbricht das kräftige Geräusch einer Motorsäge die Stille. Mit einem lauten Krachen fällt ein Baum, der Waldboden bebt.
Mit diesem Fall tritt das Holz hier, im Staatsforstbezirk Großgrimberg, seine Reise an, die es bis in Wohnquartiere führt – in Form von Häusern, Fassaden und Quartieren. Das Material, das hier geerntet wird, spielt eine Schlüsselrolle im nachhaltigen Bauen. Doch nicht jedes Holz ist geeignet. Welche Holzarten sind besonders gefragt? Warum fällt man Bäume, um umweltfreundlich zu bauen? Und wie trägt dieser Rohstoff zur Entwicklung neuer Stadtviertel wie dem YORK-Quartier in Münster bei? Diese Fragen gehen uns durch den Kopf, als wir an diesem Januarmorgen über den teils matschigen Boden stapfen.


Beliebte Bäume
„Für den Wohnungsbau braucht man Holz, das stabil, langlebig und widerstandsfähig ist“, erklärt uns Mathias Rümping, Revierleiter im Staatsforstbezirk Großgrimberg. Während er mit geübtem Blick einen frisch gefällten Stamm begutachtet, erläutert er die Unterschiede: „Lärche und Douglasie sind besonders für den Außenbau beliebt. Sie trotzen Wind und Wetter, sind leicht zu verarbeiten und besonders widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit. Fichten können als Konstruktionsholz für Dachstühle eingesetzt werden und Eichen wiederum sind besonders gut als Bau- oder Möbelholz geeignet.“
Welches Holz fürs Bauen genutzt wird, hängt aber nicht nur davon ab. „Besonders bei der Fichte merken wir die Auswirkungen des Klimawandels“, erklärt Rümping. „Die Bäume sind anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Darum müssen wir regelmäßig eingreifen und die alten, kranken Bäume entfernen.“ So wird Platz für neue Baumarten geschaffen, die besser mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen zurechtkommen.
Die Holzernte und -verarbeitung ist weit mehr als nur das Fällen von Bäumen. Die Entscheidung, welche Bäume gefällt werden und welche im Wald bleiben dürfen, ist keine einfache. Sie ist geprägt von der Verantwortung, die der Förster gegenüber der Natur, dem Wald und den kommenden Generationen trägt. Forstarbeit ist nicht nur eine handwerkliche Tätigkeit, sondern auch eine Frage der Nachhaltigkeit und der vorausschauenden Planung.
Nicht alle abgeholzten Bäume werden für Säge- oder Furnierholz verwendet. „Besonders dünnes, krankes oder krummes Holz geht in die stoffliche Nutzung wie beispielsweise für Spanplatten, OSB-Platten, Zellulose oder bei Laubholz etwa auch für Brennholz“, erklärt Rümping.

«Das Holz muss astrein und gesund sein – und auch der Jahresringaufbau ist wichtig.»
– Matthias Rümping

Effizientes Bauen
Im Wald wird das Holz gewählt, in der Stadt die Bauweise: Im YORK-Quartier in Münster fiel die Entscheidung auf die Holzrahmenbauweise.
„Diese Methode vereint Umweltfreundlichkeit mit Effizienz“, erklärt Dipl.-Ing. Christian Schulte-Sienbeck, stellvertretender Abteilungsleiter der Bauabteilung bei Wohn + Stadtbau Wohnungsunternehmen der Stadt Münster GmbH. „Holz hat hervorragende Dämmeigenschaften, was zu geringeren Heizkosten führt. Durch die schlanke Bauweise entsteht mehr vermietbare Fläche, und dank der Vorfertigung der Elemente ist die Bauzeit kürzer.“ Beim Thema Feuchtigkeitsschutz, oft eine Herausforderung im Holzbau, wurden gezielt Maßnahmen ergriffen. Zur Qualitätssicherung wurde die geschlossene Gebäudehülle (Holzrahmenbau-, Dachdecker- und Fensterbau) als Paketausschreibung am Markt abgefragt. Das verschafft einem Unternehmer die Möglichkeit, die Details und Schnittstellen zwischen den Gewerken integral zu planen und während der Montage den Schutz der Gewerke vor Regen zu gewährleisten.

Im YORK-Quartier in Münster fiel die Entscheidung auf die Holzrahmenbauweise.
Das YORK-Quartier
Auf einem 50 Hektar großen ehemaligen Kasernengelände im Münsteraner Stadtteil Gremmendorf sollen etwa 1.800 Wohnungen entstehen, dazu zwei Kitas mit jeweils vier Gruppen.
Die Kaserne wurde in den 1930er-Jahren gebaut und diente nach dem Zweiten Weltkrieg den britischen Truppen als Militärstützpunkt.
Vom Holzrahmen ist der gerade gefällte Baum vor unseren Füßen noch ein gutes Stück entfernt. Revierleiter Rümping begutachtet den Stamm. „Das Holz muss astrein und gesund sein“, erklärt er. „Und der Baum muss auch in der richtigen Qualität gewachsen sein. Fichten oder Buchen, die nachwachsen, haben eine ganz andere Qualität als die alten Bäume, die bereits ihre Vitalität verloren haben.“ Das habe Auswirkungen auf die Festigkeit des Holzes und die Verarbeitung. „Und auch der Jahresringaufbau ist wichtig“, fügt er hinzu. „Ein unregelmäßiger Jahresringaufbau kann zu Spannungen im Holz führen und ihn in seiner Stabilität beeinträchtigen.“
Genau diese Anforderungen bestimmen auch die Verarbeitung in der Stadt. Die Holzrahmenbauweise des YORK-Quartiers basiert auf einem Holzrahmen aus Konstruktionsvollholz, der mit Holzwerkstoffplatten beplankt wird. Die entstehenden Hohlräume werden mit Zellulosedämmung gefüllt – einer nachhaltigen Alternative zur klassischen Mineralwolle.
„Die Vorteile dieser Bauweise sind klar“, so Schulte-Sienbeck von der Wohn + Stadtbau GmbH. „Wir können die Elemente bereits im Werk vorfertigen und dann mit hoher Präzision auf der Baustelle zusammenfügen.“ Das bedeutet: schnellere Fertigstellung, weniger Fehlerquellen und eine hohe Bauqualität.
Die Entscheidung für Holz als Baustoff geht jedoch über reine Effizienzüberlegungen hinaus. Holzrahmenbauten regulieren Feuchtigkeit und sorgen für ein angenehmes Raumklima. Gerade im YORK-Quartier wurde darauf Wert gelegt: „Wir haben Holz nicht nur für die Tragstruktur genutzt, sondern auch als sichtbares Element – etwa an den Balkongeländern oder als Untersicht der Geschossdecken.“ Ein weiterer Vorteil liege in der schlanken Bauweise: Durch die Kombination von Statik und Wärmedämmung innerhalb eines Konstruktionselements werde mehr nutzbare Wohnfläche geschaffen. „Das bedeutet nicht nur wirtschaftlichen Gewinn, sondern auch eine höhere Flächeneffizienz“, so Schulte-Sienbeck.
Abgesehen von den sichtbaren Holzdecken nehmen die Bewohnerinnen und Bewohner des YORK-Quartiers im Alltag kaum wahr, dass ihre Wohnungen aus Holz gebaut sind. Im Solinger Wald hingegen sind die knatternden Motorsägen wieder deutlich vernehmbar. Der Stamm wird von den Ästen befreit und in lange Stücke gesägt.
Inzwischen hat der Regen aufgehört, wir arbeiten uns über den feuchten, weichen Boden zurück an den Waldrand, vorbei an der Stelle, wo die bearbeiteten Stämme gelagert werden und auf den Abtransport warten. Richtung Sägewerk und von dort vielleicht für weitere Bauprojekte auch Richtung Münster.

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