Quartiersarbeit für gute Nachbarschaften
Wohnquartiere sozial zu stabilisieren und gute Nachbarschaften zu erhalten, begreift die sozial orientierte Wohnungswirtschaft als eigene Aufgabe. Ein Beispiel aus Düsseldorf zeigt, wie sie diese Aufgabe auch in schwierigen Zeiten meistert.
Video von Jonas Diener
Claudia Wußmann ist als Quartiersmanagerin für die Nachbarschaftszentren der Rheinwohnungsbau GmbH in Düsseldorf verantwortlich. Wir trafen sie in einem Zentrum, das seit mehr als 15 Jahren existiert, und besuchten mit ihr eines, dessen Eröffnung beim Filmdreh kurz bevorstand.
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- Das Thema
Einfach machen
Das Komplizierte ist in Deutschland normal. Gerade auf das Bauen trifft dieser Satz zu. Denn die Normen für den Wohnungsbau sind zahlreich und kompliziert, sie einzuhalten ist technisch anspruchsvoll und immer teurer geworden. Inzwischen ist jedoch auch in der Politik der Wunsch zu spüren, zu einfachen Regeln zurückzukehren. Gerade beim Bauen. Einfach ist etwas dann, wenn nur wenige Faktoren zu seinem Entstehen beigetragen haben und das Zusammenspiel der Faktoren durch wenige Regeln erklärt werden kann. Soweit die Definition von Wikipedia. Das Bauen fällt in Deutschland definitiv nicht in diese Kategorie: Dem Deutschen Institut für Normung (DIN) zufolge gibt es derzeit etwa 35.000 DIN-Normen, 3.900 davon sind für das Bauen relevant, davon wiederum 350 speziell für den Geschosswohnungsbau. Und die Entwicklung scheint nur eine Richtung zu kennen: Seit 2008 sind etwa 750 baurelevante Normen hinzugekommen, eine Steigerung um circa 25 Prozent – auf die eben genannten 3.900. Das Problem an komplizierten Regeln ist nicht nur, dass sie zum Teil schwierig zu verstehen sind, sie sind in der Regel auch teuer in der Umsetzung, zumindest beim Bau von Wohnungen.

- Unterwegs
Wohnen geht in Serie
Ein Mehrfamilienhaus aus vorgefertigten Modulen wie Legosteine aufeinandersetzen: Ein einfaches Prinzip senkt die Kosten und verringert die Bauzeit. Entwickelt sich eine neue Technik gerade zum Gamechanger im Geschosswohnungsbau? Ein Besuch vor Ort. Ein offener Modulrahmen reiht sich an den nächsten. Es wird gesägt, getackert und geschweißt. Funken fliegen, mit Robotern werden Fenster durch die Halle transportiert. In einer 500 Meter langen Fabrikhalle mitten auf dem Land, zwischen Kuhweiden und kleinen Wäldchen, in Friesenhagen bei Siegen entsteht gerade ein Mehrfamilienhaus. Christoph Zielinski, Leiter Geschosswohnungsbau bei der ALHO Systembau GmbH, führt eine Gruppe Interessierte, darunter VdW-Mitarbeiterin Jennifer Rickmann, durch die Halle und erklärt die Technologie hinter der modulbasierten Bauweise. Zunächst werden Metallrahmen für Böden und Decken konstruiert und ausgefacht. Die Boden- und Deckenrahmen werden über Eckstützen miteinander verbunden. So entsteht die tragende Stahlrahmenkonstruktion, in die später die exakt passenden, vorkonstruierten Holzwände eingelassen werden – inklusive Dämmung, Leitungen und Rohre. Durchgänge werden ausgespart. Zum Schluss werden die Fenster eingebaut. Fertig ist das Modul, das später auf der Baustelle mit seinen Artgenossen kombiniert wird, in flexibler Anordnung. „Die modulare Bauweise ermöglicht es uns, nicht nur schneller, sondern auch flexibler und nachhaltiger zu bauen“, sagt er, während er auf die laufenden Maschinen zeigt, die an den entstehenden Raummodulen arbeiten. Mit Modulen kennt sich das Familienunternehmen aus, seit mehr als 55 Jahren stellt es auf diese Art Gebäude her. Die modulare Bauweise verspricht eine Antwort auf insbesondere zwei Schwierigkeiten zu sein, denen Bauherrinnen und Bauherren sich bei Neubauten gerade ausgesetzt sehen: die Baukosten sind hoch, und die Bauzeit ist lang.

- Aussenansicht
Einfach schön?
Großwohnsiedlungen und die dazugehörigen großmaßstäblichen Geschosswohnbauten, die in vielen europäischen Städten seit den Sechziger- und Siebzigerjahren errichtet wurden, haben das Negativbild von serieller und modularer Architektur nachhaltig geprägt. Die Ansammlung von oft als trist und monoton empfundenen, standardisierten „Betonburgen“ mit geringer Nutzungsmischung und vorgelagerten Parkplatzflächen ist Synonym für einen fehlgeleiteten Wohnungs- und Städtebau geworden. Doch ist das serielle, modulare und systemische Bauen von damals vergleichbar mit dem von heute? Die technischen und gestalterischen Möglichkeiten von heute unterscheiden sich maßgeblich von denen der Vergangenheit. Der Fortschritt in der Fertigungstechnologie sowie die Verbesserung der architektonischen Planungsansätze eröffnen ein weites Spektrum an Gestaltungs- und Nutzungsspielräumen, die auch den weitreichenden Klimazielen entsprechen. Die Digitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle, denn dank moderner Planungstools lassen sich heutige Serien und Systeme in vielfältiger Weise bereits miteinander kombinieren, anpassen und variieren. Diese Flexibilität ermöglicht eine große Bandbreite an architektonischen Formen und Erscheinungsbildern, die sich auch städtebaulich in Bestandsquartiere individuell einfügen können. Verschiedenartige Fassaden-, Wand- und Deckenelemente und -materialien, Farben und Strukturierungen, aber auch der Einsatz von vielfältigen Vor- und Rücksprüngen, Balkonen oder Loggien führt zu einer heterogenen Gestaltung. Die serielle Produktion von Gestaltungselementen in unterschiedlichen Detaillierungsgraden und Maßstäben ist heute längst fester Bestandteil architektonischer Gestaltung geworden – ob im Neubau oder Umbau.

- Im Gespräch
Einfach bauen heißt nicht einfach denken
Florian Dilg war als Leiter einer Taskforce bei der Bundesarchitektenkammer an der Ausgestaltung des Gebäudetyp E beteiligt, wobei er die Schreibweise „Gebäudetyp-e“ vorzieht. Das „e“ im Namen steht für einfach oder experimentell – Ziel ist, beim Bauen künftig auf manche Komfortstandards verzichten zu dürfen und so die Baukosten zu reduzieren. Die Bundesregierung hat die Idee aufgegriffen. In einer digitalen Schalte mit dem VdW erklärt Florian Dilg die Idee und was er von der gesetzlichen Umsetzung hält. Es ist Anfang November 2024, ein Tag, bevor die Bundesregierung den Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E beschließt und dann am selben Abend zerbricht. Florian Dilg kann davon logischerweise nichts ahnen. Der Architekt ist auf einer Baustelle unterwegs und hat sich gerade in den Baucontainer zurückgezogen, um über sein Handy die Fragen des VdW zu beantworten. Herr Dilg, wie würden Sie den Gebäudetyp E erklären? Dilg: Also der Gebäudetyp-e ist auf jeden Fall schon einmal kein Gebäudetyp. Das ist ein Missverständnis, das es oft gibt. Der Gebäudetyp ist ein Planungsansatz, den wir Architekten vorschlagen. Bei diesem Ansatz sind die anerkannten Regeln der Technik und Normen, die auch in den Technischen Baubestimmungen niedergelegt sind, nicht zwingend anzuwenden, solange sie nicht die Schutzziele der Bauordnung, wie etwa die Standsicherheit, gesunde Lebensverhältnisse oder den Brandschutz, betreffen. Der Gebäudetyp-e ist also kein neues Regelwerk, sondern die Befreiung von der zwingenden Einhaltung vieler Regeln. Worauf ist der Gebäudetyp E denn die Antwort? Warum protegiert die Bundesarchitektenkammer diese Idee so stark? Dilg: Der Gebäudetyp ist die Antwort auf eine Situation, in die wir in den letzten Jahren oder Jahrzehnten geraten sind: Wir haben uns in ein enges Geflecht verstrickt aus Richtlinien, anerkannten Regeln der Technik und Normen, die allesamt festlegen, wie ein Gebäude erstellt werden muss.