Mutige Schritte in Witten
Einfach mal loslegen, dachte sich die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG. Denn auch ohne explizite gesetzliche Regelung zum Gebäudetyp E können Bauherrinnen und Bauherren den Gedanken dahinter bereits jetzt umsetzen. Dazu braucht es vor allem eines – Mut.
Frank Nolte hat eine Vision: ein qualitativ hochwertiges Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen, die sich viele Menschen leisten können, in denen sie sich wohlfühlen – und deren Bau weitaus weniger kostet als aktuell die Regel. Entstehen sollen sie an der Ecke Kronenstraße/ Jahnstraße in Witten und der Vorstandsvorsitzende der Witten-Mitte eG weiß auch schon, wie die Baukosten sinken können: durch die Idee des Gebäudetyps E.
Gegen den „Normenwahn“
„Ich habe mich schon lange gefragt, ob es wirklich notwendig ist, dass Gebäude immer komplizierter werden“, sagt Nolte, der auf eine Karriere als Bauentwickler zurückblickt. Er erinnert sich an die Jahre vor dem Eurocode, als Normen und Bauvorschriften weniger komplex waren. „Wir müssen hinterfragen, ob dieser Normenwahn wirklich nötig ist und wie wir wieder zu einfacheren, kostengünstigeren Lösungen kommen können.“
Der Entwurf des neuen Gebäudes folgt daher dem Prinzip der Einfachheit, ohne die essenziellen Mindestanforderungen beim Brand- oder Schallschutz zu unterlaufen. Das Mehrfamilienhaus an der Kronenstraße möchten Nolte und sein Team daher so umsetzen, dass nicht alle DIN-Normen eingehalten werden, die gesetzlichen hingegen natürlich schon. Bei der Deckenkonstruktion will die Genossenschaft beispielsweise einsparen, der Schallschutz erfüllt dann das gesetzliche Mindestmaß, der Außenlärm wird abgehalten, aber es werden nicht alle DIN-Normen erfüllt.
„Wir können uns die Detailversessenheit in der Konstruktion auf Dauer nicht mehr leisten“, sagt Nolte entschlossen. Früher reichten bei Stahlbetondecken 16 cm, heute sind es oft 22cm oder mehr. „Das führt dazu, dass wir immer mehr Material verwenden, ohne dass der Nutzen für den Wohnkomfort proportional steigt.“ Die Baukosten steigen, ohne dass es den Bewohnerinnen und Bewohnern im gleichen Maße zugutekommt. Die Decken des Mehrfamilienhauses werden daher etwas dünner ausfallen.
»Wenn wir nicht grundlegend umdenken, wird es irgendwann schlicht unmöglich, wirtschaftlich zu bauen.«
– Frank Nolte

Einfachheit als Leitmotiv
Auch in der sonstigen Planung des Gebäudes hat sich die Wohnungsgenossenschaft am Prinzip der Einfachheit orientiert: Ein klarer Grundriss, ein zentral gelegener Aufzug und der Einsatz von Fertigwänden sollen nicht nur die Bauzeit erheblich verkürzen, sondern auch die Kosten im Rahmen halten. „Wir haben in früheren Projekten bereits gesehen, dass modulare Bauweise enorme Zeitvorteile bringt“, erklärt Nolte. Auch auf eine Unterkellerung wird verzichtet, was die Abdichtung des Gebäudes vereinfacht und Kosten spart. „Wenn wir nicht grundlegend umdenken, wird es irgendwann schlicht unmöglich, wirtschaftlich zu bauen“, so Nolte weiter.
Der Weg zum Baubeginn ist allerdings noch nicht vollständig geebnet. „Die größte Herausforderung liegt darin, die richtigen Planenden und Prüfenden zu finden, die bereit sind, diesen etwas unkonventionellen Weg mitzugehen“, erklärt Nolte. Es braucht Fachleute, die den Mut haben, bewährte Standards zu hinterfragen, ohne die Mindestanforderungen zu gefährden.
Trotz dieser Herausforderungen ist Nolte optimistisch. Der Bauantrag könnte bald eingereicht werden, und wenn alles nach Plan läuft, könnte der Bau in naher Zukunft beginnen. Auch wenn der Projekterfolg noch nicht garantiert ist, sieht Nolte in dem Gebäudetyp E einen vielversprechenden Ansatz, der potenziell auch auf zukünftige Projekte ausgeweitet werden könnte.
Es geht Nolte dabei auch um ein Umdenken: „Ich glaube, dass den Menschen oft suggeriert wird, dass immer mehr gemacht werden muss, um vernünftig zu wohnen. Aber das ist nicht der Fall“, sagt er.
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