thema der Wohnungswirtschaft
N°1 – Der perfekte Sturm

Mehr als “nur“ bezahlbar

Vorbehalte gegenüber „Sozialwohnungen“ sollten der Vergangenheit angehören. Bei den wohneNRW-Tagen 2024 standen zukunftsweisende Projekte unserer Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften auf dem dreitägigen Bereisungsprogramm, die allesamt aus Mitteln der öffentlichen Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen entstanden sind. Sowohl im Neubau als auch in der energetischen Modernisierung von Wohnungen zeigte sich, dass geförderte Wohnquartiere jede Menge Mehrwerte bringen und gleichzeitig Vorurteile gegenüber gefördertem Wohnraum aus der Zeit gefallen sind.

Großwohnanlagen am Stadtrand, schlichte und zweckmäßige Bauten mit geringen Standards in wenig attraktiven Lagen – das ist mitnichten so. Denn öffentlich gefördertes Wohnen ist so viel mehr als nur bezahlbar: Heute schaffen unsere Verbandsmitglieder Wohnraum, der genau so attraktiv, modern, klimagerecht und zukunftsfähig ist wie frei finanzierter Wohnraum, nur eben öffentlich gefördert und dadurch für viele Menschen bezahlbar. Ein Reisebericht zu vielen Stationen in ganz Nordrhein-Westfalen, in dem genau das deutlich geworden ist.

Start im Ruhrgebiet

Was haben moderne Quartiere, energieeffiziente Neubauten und ein zukunftsweisendes Solarprojekt gemeinsam? Sie alle zeigen eindrucksvoll, wie sich der geförderte Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen gewandelt hat. Am ersten Tag der WohneNRW-Tage 2024 tauchten wir in die Welt des modernen, nachhaltigen und sozialen Wohnraums ein – begleitet von NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach. Unsere Reise führte uns durch Hattingen, Herne, Bottrop und Dinslaken und ließ uns erleben, wie Klimaschutz, Zukunftsfähigkeit und Innovation im geförderten Wohnungsbau zu bezahlbaren Mieten zusammenfinden.

Hattingen – „Isenhöhe“: Nachhaltig und generationengerecht

„Wie sieht eine zukunftsfähige Quartiersentwicklung aus?“ Diese Frage beantwortet das Quartier „Isenhöhe“ unserer Mitgliedsgenossenschaft hwg eG eindrucksvoll. Gleich am frühen Morgen starteten wir in Hattingen, wo das Wohnquartier als Modellprojekt für nachhaltige und generationengerechte Entwicklung dient. In einer Kombination aus energetischer Modernisierung und Neubau sind hier 12 Wohneinheiten umfassend saniert worden, und bald folgen 17 weitere.

Besonders bemerkenswert: Die geplanten Neubauten sind nicht nur energieeffizient, sondern auch sozial durchdacht. Eine Demenz-WG, eine KiTa und barrierefreie Wohnungen direkt im Quartier fördern das Miteinander und machen deutlich, dass geförderter Wohnungsbau mehr ist als nur Wohnen – es geht um Lebensqualität und Integration. Das Vorurteil von grauen Betonklötzen wird hier in jeder Hinsicht widerlegt.

Herne – „Wohnen am Westbach“: Ein modernes Quartier für alle

Nach Hattingen ging es weiter nach Herne, zum Projekt „Wohnen am Westbach“. Hier hieß es Abschied nehmen von alten Strukturen, denn die Wohnungsgenossenschaft Herne Süd eG hat 19 alte Wohnhäuser aus den 1930er bis 1950er Jahren durch ein modernes, nachhaltiges Quartier ersetzt. Die 116 neuen Wohnungen verteilen sich auf neun Gebäude im KfW-55 EE Standard und sind teilweise öffentlich gefördert.

Besonders faszinierend ist die technische Ausstattung: Solewasser-Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen sorgen für eine umweltfreundliche Energieversorgung. Hier trifft Klimaschutz auf Wohnkomfort – ein starkes Statement gegen das Vorurteil, dass geförderte Wohnungen keine zeitgemäßen Standards erfüllen können. In Herne wurde klar, dass geförderter Wohnraum nicht nur energieeffizient, sondern auch einladend und lebendig sein kann.

Bottrop – Quartier am Tetraeder: Effizienzhaus für die Zukunft

Am Nachmittag ging es weiter nach Bottrop, wo das Quartier am Tetraeder von der Gesellschaft für Bauen und Wohnen Bottrop mbH zeigt, was möglich ist, wenn innovative Technik auf nachhaltigen Wohnbau trifft. Auf einem ehemaligen Schlichtbauareal aus den 1950ern entstanden 78 Wohnungen, die mit den höchsten KfW-Effizienzstandards auftrumpfen.

Photovoltaik auf den Dächern, Batteriespeicher, begrünte Carports und Fahrradabstellhäuser – hier wird sichtbar, dass geförderte Neubauten nicht nur mit der Zeit gehen, sondern ihr sogar voraus sind. Besonders spannend: Das Mieterstrommodell, bei dem die Bewohner von den energieeffizienten Maßnahmen direkt profitieren. Ein weiteres Vorurteil widerlegt: Geförderte Wohnungen sind längst keine energiehungrigen Altbauten mehr, sondern echte Vorreiter in Sachen Klimaschutz.

Dinslaken – Solarquartier: Ein Quartier, das die Sonne nutzt

Zum Abschluss des Tages erwartete uns in Dinslaken das Solarquartier Lohberg der Wohnbau Dinslaken GmbH. Hier entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Glückauf-Schule ein innovatives Quartier, das auf Nachhaltigkeit und soziale Durchmischung setzt. Von den 69 entstehenden Wohneinheiten sind 42 öffentlich gefördert, und durch die integrierten Mietergärten und den teilöffentlichen Quartiersplatz entsteht ein Ort, der Gemeinschaft fördert.

Das Quartier ist mit Dachbegrünungen und einem Mieterstrommodell ausgestattet – eine perfekte Symbiose aus Energieeffizienz und sozialem Zusammenhalt. Hier zeigt sich, dass geförderter Wohnungsbau auch ganz anders kann: integriert, grün und attraktiv. Das Solarquartier widerlegt endgültig das Vorurteil, dass geförderte Wohnquartiere isoliert oder problematisch sein müssen.

Zweiter Bereisungstag in Westfalen und Münsterland

Nachdem der erste Tag der wohneNRW-Tage 2024 in vier Quartieren im Ruhrgebiet Halt machte, startete der zweite Bereisungstag im westfälischen Ahlen. Der ehemalige Bergbaustandort weist stellenweise eine ähnliche Bebauungsstruktur wie Teile des Ruhrgebiets auf, das ebenfalls im Bereich Bauen und Wohnen vom Einfluss der Montanindustrie geprägt ist. Die zweite Station des Tages führte die Bereisungsgruppe um VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter und Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, nach Rheine. In der mittelgroßen Stadt an der Grenze zu Niedersachsen und den Niederlanden hat durch ein umfassendes Quartiersprojekt neuen Schwung für das Stadtzentrum erhalten. 

Ahlen – Frischzellenkur für altes Bergarbeiterquartier

Das Verbandsmitglied VIVAWEST Wohnen GmbH schafft hier modernen und klimafreundlichen Wohnraum durch die Modernisierung von Bestandswohnungen in einem alten Bergarbeiterquartier. 94 Wohnungen werden derzeit aufwendig energetisch modernisiert und instandgesetzt. Dank des Einbaus von Wärmepumpen und einer umfassenden Wärmedämmung senkt das Wohnungsunternehmen hier sowohl den Energieverbrauch der Wohngebäude als auch den CO₂-Ausstoß. Durch die Maßnahme steigt die Energieeffizienzklasse der 1955 erbauten Häuser von H auf A+. Die durch Mittel der Modernisierungsförderung bereitgestellte Fördersumme beträgt 10,5 Mio. Euro. Hier schafft die Landesregierung erfolgreich den Rahmen für unser Verbandsmitglied, das mit einem klimagerechten Konzept ein altes Quartier bezahlbar zukunftsfähig macht und energetisch modernisiert.

Rheine – „Wohnen am Kirmesplatz“: Frischer Wind im Zentrum

Zentrumsnah, modern, barrierearm und vor allem: bezahlbar! Das sind die Charakteristika, wenn in Rheine das Stichwort „Wohnen am Kirmesplatz“ fällt. Die VdW-Mitgliedsgenossenschaft Wohnungs-Verein Rheine eG hat im Zentrum von Rheine zwischen 2020 und 2023 160 Neubauwohnungen errichtet, von denen 70 % aus Mitteln der öffentlichen Wohnraumförderung entstanden sind. Das Neubauquartier im KfW 55-Standard schafft erfolgreich den Spagat zwischen Klimaschutz, ansprechender Architektur und bezahlbarem Wohnraum. Darüber hinaus wurde auch die Anpassung an den Klimawandel mitbedacht, sodass eine extensive Dachbegrünung mit Wasserrückhalt und mehr Bäume als im Bebauungsplan gefordert einen nachhaltigen Beitrag vor Ort bilden. Das Verbandsmitglied hat zudem alle Wohnungen barrierearm gebaut und mit technischen Mitteln besonders gut vor Einbruch geschützt – dafür hat das Wohnquartier auch die „Zuhause sicher“-Plakette erhalten. Diese ganzen Merkmale guten Wohnens vereint das genossenschaftliche Projekt zu bezahlbaren Mieten.

Dritter Bereisungstag im Rheinland

Der dritte Bereisungstag unterstrich im Rheinland und in der Vordereifel insbesondere die Innovationsfähigkeit des geförderten Mietwohnungsbaus. Der Tag begann in Hürth-Berrenrath bei einem Holzbauprojekt der GWG Rhein-Erft. Der in den 1950er-Jahren auf Grund des Braunkohlebergbaus umgesiedelte Ortsteil ist vor allem durch zweigeschossige Reihenhäuser und Einfamilienhäuser geprägt. Mietwohnraum, insbesondere für große Familien, ist knapp und begehrt. Weiter in Schleiden-Gmünd geht der Aufbau nach der Hochwasserkatastrophe von 2021 weiter. Auch die Baustelle des inklusiven Wohnprojektes der EUGEBAU Euskirchen war damals betroffen. In ähnlicher Weise spielt das Thema Klimaresilienz auch in der Innenstadt von Euskirchen eine große Rolle. Hier hat die Baugesellschaft des Kreises direkt in der Innenstadt ein innovatives Gebäude errichtet und damit einen Beitrag zur Stadtreparatur geleistet.

Hürth – Effektiver Holzbau mit hoher Wohnqualität

An der Kierdorfer Straße in Hürth-Berrenrath, direkt am grünen Ortsrand nahe des Otto-Maigler-Sees gelegen, ist ein modernes Wohngebäude in Holzbauweise mit insgesamt 9 öffentlich geförderten Wohneinheiten entstanden. Das dreigeschossige Gebäude, entworfen von der GWG Rhein-Erft, zeichnet sich durch seine Energieeffizienz (EH 55) und die nachhaltige Holzfassade aus. Bestimmende Merkmale sind zudem die großzügigen Balkone und die vorgelagerten Laubengänge. Die kreisangehörige GWG Rhein-Erft hat hier ein effizientes Wohngebäude mit hoher Wohnqualität geschaffen und dabei mit vereinfachten Standards experimentiert. Die Wohnungen im Erdgeschoss sind separat erschlossen und verfügen über eigene Mietergärten. Die Wohnungsgrößen der 4- und 5-Zimmer-Wohnungen bewegen sich zwischen 97 und 112 m² und bieten damit viel Raum für größere Familien. Ein Spielplatz sowie ausreichend Stellplätze für PKW und Fahrräder runden das Angebot für die Bewohner ab.

Schleiden – Effektiver Holzbau mit hoher Wohnqualität

Das dreistöckige Wohnhaus wurde innenstadtnah in Schleiden-Gmünd in einer außergewöhnlich schönen Lage nahe der Urft und dem Kurpark mit Blick auf die bewaldeten Berge errichtet. Insgesamt 24 Wohnungen wurden in Holzrahmenbauweise und im KfW 40 Standard errichtet. Der CO₂-Fußabdruck sollte bei der Herstellung möglichst klein gehalten werden. Der Energiebedarf des Gebäudes wird mittels Geo- und Solarthermie und einer Photovoltaikanlage nahezu komplett gedeckt. Alle Wohnungen wurden an Menschen mit einem Handicap vermietet. Eine Betreuung wird durch die Lebenshilfe H.P.Z. gGmbH gewährleistet. Dazu wurden auch Gemeinschaftseinrichtungen im Erdgeschoss eingeplant.

Euskirchen – Ein neues Zuhause für Kriegsflüchtlinge

In zentraler Lage in der Euskirchener Innenstadt hat die Eugebau ein fünfgeschossiges Mietshaus mit 18 geförderten Wohnungen für geflüchtete Menschen aus der Ukraine gebaut. Das Gebäude hat einen hohen energetischen Standard: das KfW 40 EE Haus verfügt über eine Windturbine, die auch nachts CO₂-neutralen Strom erzeugt. Der Energiebedarf des Gebäudes wird mittels Solar- und Geothermie und einer Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie an der Fassade weitgehend gedeckt. Das Gebäude ist zudem H₂-ready und wurde entsprechend vorgerüstet. Das Mikroklima wird durch die Moosfassade verbessert. Die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und an der Fassade sind Teil des Mieterstrommodells. Als zukünftige Hochwasserschutzmaßnahme wird auf ein Untergeschoss verzichtet. Das gesamte Erdgeschoss wird Empfangsbereich, Abstellfläche und Kellerersatz. Im Eingangsbereich schenkt das Glaskunstwerk „Ganga 2“ neue Perspektiven.

Mehr Infos
zu den wohneNRW-Tagen

Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD NRW) informiert auf seiner Website zu den Aktionstagen für öffentlich gefördertes und bezahlbares Wohnen.

Bildergalerie

Impressionen von den wohneNRW-Tagen 2024

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