Die Wohnungspolitik braucht ein mutiges Software-Update
«Neue Koalitionen sollten nicht versuchen, alles neu zu erfinden.»
– Marion Sett
Lautes Surren. Die Luft ist kühl und trocken. Endlose Reihen von Kabeln in präzise gebündelten Farben ziehen sich durch das Rechenzentrum des Kölner Telekommunikationsdienstleisters NetCologne. Zwischen Serverschränken und blinkenden Lichtern sprechen wir mit VdW-Präsidentin Marion Sett über den großen Wunsch nach einem Neustart in der Wohnungspolitik – und warum er mehr braucht als nur einen Tastendruck.
Frau Sett, wir stehen hier im Rechenzentrum von NetCologne zwischen Tausenden von Computern. Wünschen Sie sich auch manchmal, in der Wohnungspolitik einfach auf einen Reset-Button drücken zu können? Und würden Sie ihn aktuell auch drücken?
Marion Sett: Wünschen? Ja. Drücken? Nein. Der Gedanke ist verlockend. Ein Reset-Button, der alle Widersprüche beseitigt, neue Spielräume schafft und die Wohnungspolitik auf ein ganz neues Fundament stellt. Aber aus meiner Perspektive als Geschäftsführerin der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft, eines bestandshaltenden Wohnungsunternehmens mit über 75 Jahren Geschichte, weiß ich: So funktioniert unsere Branche nicht. Wir denken langfristig. Unsere Gebäude, unsere Investitionen, unsere Verantwortung gegenüber den Menschen, die in unseren Wohnungen leben – all das lässt sich nicht einfach auf Null setzen.
Mit der neuen Bundesregierung ist viel Hoffnung verbunden. Neue Koalitionen bringen neue Impulse, neue Ideen. Aber sie sollten nicht versuchen, alles neu zu erfinden – sondern dort ansetzen, wo es hakt. Ein Reset löscht nicht die Realität, was wir brauchen ist ein mutiges und intelligentes Software-Update: zielgerichtete Reformen, die Planung und Genehmigung vereinfachen, Investitionen erleichtern und uns als Wohnungswirtschaft wieder handlungsfähiger machen.
Während wir durch den nächsten Sicherheitsbereich des Rechenzentrums geführt werden, fällt der Blick auf unzählige Kabelstränge – Alt und Neu laufen parallel, nichts darf ausfallen. Eine treffende Analogie zu dem, was Wohnungsunternehmen und -genossenschaften gerade leisten. Auch sie bauen neu, kümmern sich aber gleichzeitig um die Sanierung des Bestands.
Sie sind Präsidentin des VdW Rheinland Westfalen und zugleich Geschäftsführerin eines Wohnungsunternehmens. Zunächst mit Blick auf Ihr Unternehmen: Bei welchem Projekt oder in welchem Bereich wünschen Sie sich gerade einen Neustart und warum?
Marion Sett: Die Wohnungsbestände der Aachener, die zu einem großen Teil aus den 50er- bis 70er-Jahren stammen, müssen in den nächsten 20 Jahren klimaneutral werden – das ist ambitioniert. Gleichzeitig drängt der Neubau bezahlbarer Mietwohnungen. Während viele Unternehmen den Neubau zurückfahren, teilweise auch einstellen und sich der Bestandssanierung zuwenden, versuchen wir beides zu realisieren. Beides konkurriert um unser knappes Eigenkapital und beides ist unter den aktuellen Bedingungen kaum noch leistbar: Die Baukosten sind zu hoch, die Finanzierung teuer, die Verfahren zu langsam und die Förderkulissen zu unsicher. Der Markt für Handwerker, Ingenieure und Fachplaner ist angespannt. Mietpreisbegrenzungen setzen uns zusätzlich unter Druck. Sie verknappen unsere Erträge und gefährden das Eigenkapital, das wir für Sanierung und Neubau brauchen. Gefragt ist ein echter Kurswechsel: spürbar sinkende Baukosten, schnellere Genehmigungen, verlässliche Förderprogramme und eine realistische Mietenpolitik – sonst schaffen wir weder Klimaschutz noch bezahlbaren Wohnraum.
Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft hat vor der Bundestagswahl eine Art Neustart der Wohnungspolitik gefordert. Weshalb? Womit haben Wohnungsgenossenschaften und -unternehmen wie das Ihre gerade besonders zu kämpfen?
Marion Sett: Es herrscht ein extrem hoher Druck auf dem Wohnungsmarkt. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in gefragten Städten kann nicht mehr befriedigt werden. Schauen Sie sich unsere Bewerberlisten an. Diese werden immer länger und länger, die Wohnungssuchenden immer verzweifelter. Aktuell ist auch keine wirkliche Änderung der Situation in Sicht: Die Baufertigstellungszahlen, aber auch die Baugenehmigungszahlen lassen mittelfristig keinen ausreichenden Anstieg des Wohnungsangebots erwarten. Gleichzeitig ist es nahezu unmöglich, bei den stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten, den hohen Grundstückskosten sowie den stetig steigenden Anforderungen ans Bauen durch eine regelrechte Flut von Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften und Normen ein kostengünstiges Wohnungsangebot zu schaffen. Eine Ausnahme bildet die Wohnungsbauförderung in NRW, die seit Jahren eine verlässliche und angemessene Förderkulisse bietet, die bezahlbares Wohnen ermöglicht. Aber: Trotz steigender Fördermittel wird der Mengeneffekt durch die stetig steigenden Kosten zunehmend neutralisiert.
Wir sind realistisch: Die öffentlichen Mittel sind begrenzt. Die Anforderungen an den Staat sind immens – Sanierung der maroden Infrastruktur, Digitalisierung, Verteidigungs-, Energie- und Bildungspolitik. Deshalb wissen wir, dass eine dauerhafte expansive Wohnungsbauförderung allein keine Lösung sein kann. Darum fordern wir von der Politik einen Neustart: Bauen muss günstiger werden, damit Wohnen bezahlbar ist. Bezahlbares Wohnen ist weit mehr als eine Marktfrage – es ist ein zentraler Pfeiler für soziale Stabilität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Das ständige Surren der Computer erinnert einen daran, dass hier ständig Energie gebraucht wird. Als „grünes Rechenzentrum“ setzt NetCologne hier in Lövenich auf 100 Prozent Öko-Strom. Hier wird die Wende zur Klimaneutralität vollzogen, so wie in der Wohnungswirtschaft.
Von der Mitgliedschaft wird dem Verband gespiegelt, dass etwa eine bedingungslose Umsetzung der Klimaneutralität bis 2045 unter den aktuellen Bedingungen über die Jahre zur Insolvenz führen würde. Wäre das in Ihrem Unternehmen genauso?
Marion Sett: Unsere Mitglieder und auch die Aachener bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität. Doch für viele bestandshaltende Unternehmen ist eine bedingungslose Umsetzung der Klimaneutralität bis 2045 und den derzeitigen Rahmenbedingungen – ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung – nicht tragfähig. Viele Bestände erfordern tiefgreifende energetische Sanierungen. Politisch gebremste Mieten erschweren die Refinanzierung der Investitionen massiv. Die derzeitigen Fördermittel sind nicht nur begrenzt, sondern auch nicht planbar – ein wesentliches Risiko für langfristig agierende Bestandshalter. Bei verpflichtender Umsetzung der Klimaneutralität drohen massive Verluste, Wertverfall – im Extremfall wirtschaftliche Schieflagen oder sogar Insolvenz. Klimaschutz und bezahlbares Wohnen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie müssen gemeinsam gedacht werden.
«Klimaschutz und bezahlbares Wohnen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.»
– Marion Sett
Das Rechenzentrum
Das von NetCologne 2024 errichtete Rechenzentrum bietet etwa 1.000 Quadratmeter reine IT-Fläche, eine Gesamtbandbreite von mehreren Terabit pro Sekunde und wird mit 100 Prozent Ökostrom versorgt.
Das Rechenzentrum
Das von NetCologne 2024 errichtete Rechenzentrum bietet etwa 1.000 Quadratmeter reine IT-Fläche, eine Gesamtbandbreite von mehreren Terabit pro Sekunde und wird mit 100 Prozent Ökostrom versorgt.
Was müsste denn aus Ihrer Sicht vor allem passieren, dass bezahlbares klimagerechtes Wohnen wieder gelingt? Welche politischen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht vorrangig?
Marion Sett: Hierzu braucht es vor allem eins: eine politische Neuausrichtung mit klaren Prioritäten, Planungssicherheit und Augenmaß. Vorrangig wären: schneller und kostengünstiger Bauland bereitstellen, Bau- und Energiegesetzgebung sowie andere Vorschriften entschlacken, den sozialen Wohnungsbau stärken, eine auskömmliche Förderung dauerhaft etablieren und im Mietrecht wirtschaftlichen Realismus walten lassen.
Die Wohnungswirtschaft ist bereit, ihren Teil zu leisten, in einem Rahmen, der wirtschaftliche Machbarkeit sowie soziale und ökologische Verantwortung in Einklang bringt und nicht gegeneinander ausspielt.
Wieder gehen wir durch einige Sicherheitstüren, das Herzstück des Rechenzentrums ist gut gesichert.
Gerade eben mussten wir durch Sicherheitstüren, um in die Serverräume zu gelangen. Wie sehr lassen Sie aufgrund der Marktlage bei Ihren unternehmerischen Entscheidungen gerade Sicherheit walten?
Marion Sett: In Anbetracht der derzeit unsicheren Rahmenbedingungen ist unternehmerische Vorsicht geboten. Wir fahren aktuell bewusst auf Sicht, wägen jedes Neubauvorhaben sorgfältig ab und setzen nur um, was wirtschaftlich tragfähig und sozial vertretbar ist.
Wir haben unsere Bautätigkeit im Vergleich zu anderen Unternehmen nicht vollständig ausgesetzt, sondern vorübergehend im Tempo gebremst. Wir sind ja nicht nur Vermieterin und bauen für unseren eigenen Bestand, sondern auch Bauträgerin. Bauen für den Bestand führt bei den derzeitigen Bau- und Finanzierungskosten zu hohen Mieten. Ein Lösungsansatz für bezahlbares Bauen für die Aachener ist die Inanspruchnahme der Wohnungsbaufördermittel des Landes NRW. Mittlerweile ist die Nachfrage nach diesen Fördermitteln aber so hoch, dass das Angebot nicht mehr ausreicht und damit die Finanzierung teils unsicher ist. Im Bauträgergeschäft führen die hohen Kaufpreise, ausgelöst durch steigende Grundstücks- und Baukosten, zu deutlichen Nachfragerückgängen. In Verbindung mit dem schnellen Anstieg der Fremdkapitalzinsen und den hohen Hürden der Banken für eine Eigentumsfinanzierung ist der Eigentumserwerb für viele Menschen nicht mehr möglich. Das führt dazu, dass wir nur noch bei Erreichen definierter Vorverkaufsquoten starten – und dabei deutlich kleinteiliger vorgehen als bisher.
Wir werden in einen hellen Besprechungsraum im Innern des Rechenzentrums geführt und setzen uns. Das Surren der Rechner ist nun kaum noch zu hören.
Vor zwei Jahren haben Sie im Vorwort zum VdW-Jahresbericht die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften zu mutigen Entscheidungen in einem unsicheren Marktumfeld aufgerufen. Das gilt aber doch immer noch, oder?
Marion Sett: Mein Aufruf zu mehr Mut richtete sich nicht nur an die Wohnungsunternehmen, sondern auch an die Politik. Angesichts der heutigen Herausforderungen – von Kostenexplosion bis hin zu unklaren Förderkulissen – braucht es mehr denn je verlässliche politische Leitplanken und den Willen zu grundlegenden Reformen.
Der Mut der sozial orientierten Wohnungswirtschaft zeigt sich nicht in lauten Worten, sondern verantwortlichem Handeln unter schwierigen und unsicheren Bedingungen. Trotz massiv gestiegener Baukosten, hoher Zinsen und zunehmender Unsicherheit bei der Förderung investieren viele Unternehmen weiter – sei es in den Neubau, die energetische Sanierung oder die Aufwertung bestehender Quartiere. Auch in der Entwicklung innovativer, ressourcenschonender Bauweisen oder bei der Umsetzung nachhaltiger Quartierskonzepte geht die Branche mit gutem Beispiel voran – trotz regulatorischer Unsicherheiten und fehlender Planungssicherheit. Dieser Mut verdient Anerkennung. Und er braucht politische Rahmenbedingungen, die verantwortliches Handeln nicht erschweren, sondern ermöglichen. Wer dauerhaft Bestand sichern will, braucht wirtschaftliche Spielräume, das heißt ausreichende Mietertragsspielräume. Mietbegrenzungen dürfen nicht zur Investitionsbremse werden.
Vor Kurzem hat die Bundespolitik mit der neuen Bundesregierung einen Neustart erfahren. Zeigt der Koalitionsvertrag beim Thema Wohnen aus Ihrer Sicht insgesamt gute Ansätze?
Marion Sett: Der „Turbo im Wohnungsbau“, wie er im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, ist ein starkes Versprechen – aber noch kein Programm. Jetzt muss er auch gezündet werden. Ohne politischen Umsetzungswillen bleibt er ein leeres Versprechen.
Welche geplanten Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag gefallen Ihnen besonders?
Marion Sett: Ich begrüße die angekündigte Wiedereinführung der Förderfähigkeit des EH-55-Standards beim Neubau und die geplante Entschlackung der Bauvorschriften. Positiv zu bewerten ist, dass beim Klimaschutz im Bestand der Fokus nicht mehr auf die Energieeffizienz gerichtet ist, sondern die CO2-Reduktion zur zentralen Steuerungsgröße erklärt wird.
Zu einem Neustart gehört, sich von alten Leitsätzen zu trennen. Von welchem Leitsatz muss sich die Politik gerade verabschieden?
Marion Sett: Der verbreitete Eindruck, „Wohnungsunternehmen hätten sich eine goldene Nase verdient“ und könnten die Energiewende locker aus eigener Tasche finanzieren, ist schlicht falsch. Ich möchte hier sicherlich nicht für alle Vermieter sprechen. Aber Letzteres steht sicher nicht für unsere Verbandsmitglieder, die die sozialorientiere Wohnungswirtschaft vertreten und für bezahlbare und faire Mieten stehen. Die Klima- und Energiewende im Gebäudesektor ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Wohnungswirtschaft ist Teil der Lösung – aber eben nur ein Teil. Wenn sie gelingen soll, braucht es Ehrlichkeit von der Politik und Akzeptanz in der Bevölkerung. Dazu gehört auch, offen zu sagen: Wohnen wird teurer werden. Wie Lebensmittel, Mobilität, Energie auch. Die entscheidende Frage ist nicht, ob wir das bezahlen – sondern wie gerecht wir es organisieren.
Auch wir verabschieden uns gleich. Auf dem Weg zurück nach draußen noch eine letzte Frage:
In einem Neustart liegt ja immer auch ein Stück Hoffnung. Wie viel Hoffnung haben Sie, dass der Neustart in der Wohnungspolitik auf Bundesebene gelingt?
Marion Sett: Seit über 37 Jahren trägt mich das Prinzip Hoffnung in der Wohnungswirtschaft. Als Geschäftsführerin eines katholischen Unternehmens sind Glaube, Hoffnung und Verantwortung für mich untrennbar verbunden. Mit der neuen politischen Koalition wächst diese Hoffnung neu. Veränderung braucht neben klugen Konzepten vor allem den Willen, gemeinsam Lösungen zu finden.
Ähnliche Artikel
- Das Thema
Stadt, Land, Wohnen
Die wesentliche Aufgabe der sozial orientierten Wohnungswirtschaft ist schnell formuliert: Gutes und bezahlbares Wohnen sichern. Doch wie sie gelöst wird, hängt von den Marktbedingungen vor Ort, dem Mitwirken der Städte und Gemeinden ab. Gleichzeitig erfüllen die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften noch weit mehr Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit. Nehmen wir Köln. Prognosen von IT.NRW zufolge wird die Stadt im Jahr 2050 fünf Prozent mehr Einwohner haben als 2021. Wenn sie denn eine Wohnung finden. Denn der Druck auf den Wohnungsmarkt ist schon jetzt immens, die Interessentenlisten für eine Wohnung sind lang. Die durchschnittliche Miete liegt in der Domstadt laut NRW.BANK bei 13,27 Euro pro Quadratmeter. Im Hochsauerlandkreis sieht es anders aus: Wenn die Vorhersage eintrifft, wohnen hier im Jahr 2050 11,4 Prozent weniger Menschen als 2021. Jede dritte Person in dem Landkreis wird dann laut IT.NRW älter als 65 Jahre alt sein. In Köln ist es zu dem Zeitpunkt nur ungefähr jede fünfte. Die Aufgabe, gutes und bezahlbares Wohnen bereitzustellen, hat in beiden Kommunen gänzlich andere Vorzeichen. Während es in Köln darum geht, möglichst viele bezahlbare Wohnungen zu schaffen und zu erhalten, müssen im Hochsauerlandkreis die Barrieren in vorhandenen Wohnungen abgebaut werden, damit die ältere Bevölkerung weiter in ihrem angestammten Umfeld wohnen kann. Aber auch das zu Preisen, die sich auch weniger wohlhabende Rentnerinnen und Rentner leisten können. Dabei haben die Kommunen selbst den Schlüssel dazu in der Hand, ob sozial orientierte Wohnungsunternehmen und -genossenschaften bezahlbares Wohnen schaffen und erhalten können. Im Vorfeld der kürzlichen Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen im September dieses Jahres hat der VdW Rheinland Westfalen in Positionspapieren aufgezeigt, welche Instrumente die Kommunalpolitik nutzen kann, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. So sollten sie etwa bei ihren baurechtlichen Vorgaben darauf achten, dass günstige Mieten noch im
- Draufgeschaut
Stadt und Land
Die Bedingungen, unter denen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften Aufgaben für die Allgemeinheit erfüllen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Ein Blick in Großstädte, wie beispielsweise Köln, zeigt, dass Bauland knapp und Mieten hoch sind. Und die Prognose lautet: Es kommen noch mehr Einwohner hinzu. Auf dem Land hingegen, hier exemplarisch der Hochsauerlandkreis, kämpfen die Gemeinden darum, ihre Einwohnerstärke zu halten, doch vor allem ältere Menschen bleiben. Der Leerstand ist hoch. Klimaneutrales Wohnen soll gleichwohl auch auf dem Land realisiert werden.
- Draufgeschaut
Stadtentwicklung mit Weitblick
Von außen wirkt das Gebäude fast schwebend: Der helle Glaskubus auf dem Drachenfelsplateau fügt sich mit Leichtigkeit in das Panorama des Siebengebirges ein. Dort, wo früher ein klobiger Betonbau aus den 1970er-Jahren die Sicht auf das Rheintal verbaut hat, entstand in den letzten Jahren ein Ort, der architektonisch und funktional Maßstäbe setzt. Doch hinter dem ästhetischen Ensemble aus modernem Café, saniertem Altbau und großzügigem Außenraum steckt keine private Investorengruppe – sondern ein Wohnungsunternehmen: die Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Königswinter WWG. Was nach ungewöhnlichem Engagement klingt, ist für die WWG längst kein Sonderfall. Seit ihrer Gründung im Jahr 1953 sorgt sie für die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in der Region. In den 1990er-Jahren kamen auch Aufgaben der Wirtschaftsförderung hinzu. Seitdem setzt sich das Unternehmen gemeinsam mit der Kommune für eine nachhaltige Stadtentwicklung ein. „Natürlich liegt unser Schwerpunkt auf dem Wohnungsbau“, sagt Geschäftsführer Christopher Holderbaum. „Aber wir verstehen uns auch als Mitgestalter der Stadt. Denn wenn es Königswinter wirtschaftlich gut geht, profitieren auch wir.“ Wie breit das Engagement der WWG heute gefasst ist, zeigt sich an einem ihrer ungewöhnlichsten Projekte: der Neugestaltung des Drachenfelsplateaus. wischen Denkmal und Neubau: Die Neugestaltung eines WahrzeichensDer Drachenfels ist monumentaler Bestandteil der Rheinromantik: Hier soll nach mittelalterlicher Sage Siegfried den Drachen getötet haben, um unsterblich zu werden. Unsterblich schien zumindest die Anziehungskraft der alten Burg, die durch die Sage ausgelöst worden ist. Bereits 1834 eröffnete auf dem Drachenfels das erste Gasthaus, mit der Zahnradbahn kam 1883 der Massentourismus. Der Betonbau aus den 1970ern, zuletzt leerstehend und verwahrlost, war vielen in der Stadt ein Dorn im Auge. „Das Gebäude war eine Bausünde“, sagt Michael Bungarz, der seit über zwei Jahrzehnten Pr
- Unterwegs
Lokale Identität erhalten
Sozial orientierte Wohnungsunternehmen und -genossenschaften schaffen mehr als bezahlbare Wohnungen für eine Stadt. Sie erhalten unter anderem identitätsstiftende Gebäude, die Viertel und Menschen prägen. So wie etwa die WohnBau Mönchengladbach, die eine alte Grundschule zu einem Wohnhaus umbaut. An der Knopsstraße im Mönchengladbacher Stadtteil Westend ist das Straßenbild unspektakulär: einfache Wohnbebauung, wenig architektonischer Glanz. Und doch sticht ein Bau deutlich hervor. Zurückgesetzt vom Straßenraum, von altem Baumbestand flankiert, erhebt sich ein historischer Backsteinbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier befand sich einst die evangelische Grundschule – ein Gebäude, das vielen Anwohnerinnen und Anwohnern bis heute etwas bedeutet. „Für viele ältere Menschen aus dem Viertel ist es ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Manche sind selbst dort zur Schule gegangen“, betont Frank Meier, Vorstand und Geschäftsführer der WohnBau Mönchengladbach. „Wenn so ein Gebäude verschwindet, verschwindet oft auch ein Teil des kollektiven Gedächtnisses.“