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N°1 – Der perfekte Sturm

Bauen mit schwachem Holz

Eichenschwachholz eignet sich nicht für Konstruktionen und muss deshalb verbrannt werden? Stimmt nicht. Notre-Dame in Paris wurde mit naturgetrockneten und teilweise Schwachholz-Eichenstämmen wieder aufgebaut. Und eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Trier, Freiburg und Mainz haben nun ein Verfahren entwickelt, wie sich solches Holz standardmäßig auch für offene Hallen und Carports einsetzen lässt.

Dass er mit seinen 67 Jahren noch einen Nachwuchspreis gewinnen würde, hätte Prof. Dr. techn. Wieland Becker wirklich nicht gedacht. Und doch stand der ehemalige Holzbauprofessor der Hochschule Trier Ende November 2024 in Berlin mit dem jungen Firmengründer von CLTECH Kaiserslautern und dem verantwortlichen Tragwerksplaner des Gesamtprojektes, Michael Bormann, auf der Bühne, um den Nachwuchspreis des Deutschen Ingenieurbaupreises entgegenzunehmen.

Basierend auf seinen Forschungsarbeiten zum Thema „Hybride Tragwerke aus Eichenschwachholz“ hat das Holzbauunternehmen eine Halle mit 34 m Spannweite errichtet, deren Dachstuhl mit Eichenschwachholz konstruiert wurde. Eichenschwachholz werden Eichenstämme genannt, die einen Durchmesser zwischen 20 und 30 Zentimeter aufweisen (gemessen auf einer Höhe von 1,80 Meter). Diese Bäume werden von Förstern standardmäßig aus dem Wald entfernt und meist zu Brennholz oder Industrieholz verarbeitet. Das im Holz gebundene CO2 wird normalerweise durch den Kamin ausgestoßen.

Für Wieland Becker eine zu eingeschränkte Verwendung. „Jahrhundertelang wurde mit diesem Eichenschwachholz gebaut, Kirchenstühle zum Beispiel“, berichtet er. Auf diese Weise sei auch Notre-Dame wieder aufgebaut worden – in alter Zimmermannstechnik mit naturgetrockneter Eiche auch aus schwächeren Durchmessern. Und diese Konstruktionen hätten Bestand. „Ich habe schon Kirchenstühle begutachtet, die noch Jahrzehnte gehalten hätten, wenn niemand auf die Idee gekommen wäre, dort luftdichte Türen und Fenster einzubauen.“

Hier wird gerade eine Halle errichtet. Zu sehen ist eine Tragewerkkonstruktion aus Holz und ein LKW, der darunter steht. Im Hintergrund befindet sich ein Feld.
Quelle: CL TECH
Neun Männer und zwei Frauen posieren in Anzug und Kleid für ein gemeinsames Foto. Zwei der Personen halten eine Auszeichnung in der Hand.
Quelle: BBSR / Christoph Petras

Voraussetzung: überdacht und „luftumspült“

Denn ein großes Problem beim Bau mit Eichenschwachholz ist die hohe Restfeuchtigkeit von 20 bis 30 Prozent. Daher können solche Stämme auch nur dann verwendet werden, wenn sie in der Konstruktion überdacht und dauerhaft „luftumspült“ werden – wie es in der Fachsprache heißt. Mit anderen Worten: Es muss immer ein Luftzug am eingebauten Stamm herrschen, um zu verhindern, dass er vermodert.

Für klassische Wohnbauten kommt Eichenschwachholz deshalb nicht in Frage, wohl aber für Carports, Unterstände oder hohe Hallen. Solar-Carports und eine Lagerhalle hat Wieland Becker im Rahmen seiner Forschung bereits für Landesforsten Rheinland-Pfalz und die Stadtwerke Trier gebaut. „Das ist völlig unproblematisch. Längsdruck halten auch die schwachen Hölzer aus, ein Knicken schon weniger – aber die Knicklängen sind bei einem Carport gering.“

Dass man so bauen kann, weiß man also seit Jahrhunderten. Das Problem aber ist vor allem, die Stämme zu finden, mit denen das geht. Denn Stämme, wie sie im Wald wachsen, entsprechen keinen Standardmaßen, haben eine unterschiedlich dichte Struktur, unterschiedlich viele Äste, können unterschiedlich gut gesägt werden. Und sie sind sehr lang, weshalb ihre Verarbeitung nicht immer einfach ist. Dabei weist ungesägtes Holz sogar eine höhere Festigkeit auf als gesägtes, ist im Grunde also stabiler. Durch eine waldnahe Sichtsortierung durch Forstleute wird ausgeschlossen, dass schadhafte Stämme zum Zimmereiunternehmen kommen, bevor diese dort durch den sogenannten „Handabbund“, einer Zimmereitechnik, bearbeitet werden.

Zu sehen ist eine Überdachung mit Holzgebälk und Blechdach. Im Hintergrund sind viele Bäume zu sehen.
Quelle: Landesforsten Rheinland-Pfalz

„Man kann mit Holz, das wir schwach nennen, bauen, ohne dabei teure und energieintensive Standardprodukte einzusetzen.“

Prof. Dr. techn. Wieland Becker

Der gebürtige Stuttgarter leitete zwischen 2005 und 2010 die Forschung und Entwicklung bei Hasslacher Norica Timber im österreichischen Sachsenburg, bevor er die Professur an der Hochschule Trier übernahm und in den Vorstand des Landesbeirats Holz Rheinland-Pfalz berufen wurde.

Portraitbild von Wieland-Becker vor einer weißen Hauswand. Er trägt eine dunkle Brille, hat einen schwarzen Rollkragenpullover ein, ein graues Sacke und graue Haare

Quelle: Becker

Neue Prozesskette, neue Konstruktion

Gemeinsam mit den Forschungsteams der Hochschule Mainz, der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz hat das Holzkompetenzzentrum Trier unter Leitung von Wieland Becker deshalb eine Prozesskette entwickelt, wie Eichenschwachholz untersucht, sortiert und flexibel in eine geeignete Konstruktion eingepasst werden kann.

Die Forschenden machten sich eine Datenbank der FVA Freiburg zunutze, in der zahlreiche digitale 3D-Scans von Eichenhölzern abgelegt sind. Aus den Daten lässt sich statistisch ableiten, welche Eigenschaften ein gerade im Wald geschlagener Stamm aufweist, ohne alle Stämme ebenfalls digital erfassen zu müssen. Jeden Stamm zu scannen wäre für den regulären Bau zu teuer.

Der frisch geschlagene Stamm wird zunächst per Hochdruck entrindet, zwei- oder vierseitig besäumt, Feuchtigkeit und Durchmesser werden ermittelt. Daraus ergibt sich die Eignung für den Einsatzzweck. Prof. Becker hat mit seinem Team einfache Verbindungsknoten entwickelt, um die Hölzer standardmäßig in den Bau integrieren zu können. Das Gebäude wird dann auf Grundlage der vorhandenen Hölzer und ihrer notwendigen Einbindung in die Konstruktion entworfen.

Auf die Weise entstanden zunächst die Lagerhalle und die Solar-Carports für Landesforsten Rheinland-Pfalz. Nach seinem Ausscheiden aus der Hochschule Trier errichtete CLTECH und das Ingenieurbüro Pyttlik & Bormann dann die große Halle in der Nähe von Kaiserslautern auf Basis von zuvor durchgeführten Belastungstests an einem Original-Hallenträger. Für ihn der Beweis, dass die Bautechnik auch in der Praxis außerhalb von Forschungsvorhaben funktioniert.

„Im Grunde haben wir mit hochmodernen Methoden gezeigt, dass die Vergangenheit Recht hatte: Man kann mit Holz, das wir schwach nennen, bauen, ohne dabei teure und energieintensive Standardprodukte einzusetzen “, sagt Wieland Becker. Und als Mensch im Rentenalter Nachwuchspreise gewinnen.

Zu sehen ist eine Anreihung von Solar-Carports aus Holz, unter denen ein Auto steht. Aufgrund der Dämmerung brennen dort Lichter. Im Vordergrund ist eine Straße mit grünen Inseln zu sehen, im Hintergrund deutet sich ein mit Bäumen bewachsener Hügel an.
Quelle: SWT Trier

Weitere Infos zum Bauen mit Eichenschwachholz gibt es hier:

Deutscher Ingenieurbaupreis 2024

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe

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