
Drei Fragen an… Ute de Vries
„Arbeitgebersiegel sollten Substanz haben“
„Top Company“, „Top-Arbeitgeber“, „Beste Arbeitgeber“: Arbeitgebersiegel gibt es so einige. Doch bringen sie auch etwas und wie viel sind sie wert? Auf der Geno-Convention 2024, die der VdW Rheinland Westfalen und der Verein „Wohnen in Genossenschaften“ gemeinsam mit der Universität Münster veranstaltet, hat Ute de Vries, Personalleiterin bei der Altonaer Spar- und Bauverein eG (altoba), über ihre Erfahrungen mit Arbeitgebersiegeln berichtet.
Frau de Vries, wie viele Arbeitgebersiegel hat die altoba denn bereits ausprobiert?
Arbeitgebersiegel entstehen geradezu inflationär. Wir probieren keine Siegel aus, es gibt aber sechs Siegel, die uns zum Teil schon seit vielen Jahren begleiten. Diese wurden beziehungsweise werden uns unter anderem auf Basis von Befragungen der Mitarbeitenden, Audits und wegen guter kununu-Bewertungen verliehen. Weitere werden uns regelmäßig zum Kauf angeboten, ohne dass wir uns deren Zustandekommen erklären können – solche Siegel lehnen wir kategorisch ab. Offensiv werben wir ausschließlich mit dem Siegel „Hamburgs beste Arbeitgeber“. Das ist in Hamburg schon seit vielen Jahren etabliert und hat eine gewisse Substanz.
Welche Substanz meinen Sie, und vermissen Sie die bei anderen Siegeln?
Was hinter den Siegeln steckt, ist recht unterschiedlich. Es gibt Siegel, die entstehen durch Zielgruppenbefragungen und bewerten damit lediglich die Bekanntheit bzw. das Image eines Unternehmens. Andere Siegel sind durch eine reine Werteerklärung oder ein kurzes Audit zu bekommen. Die große Gefahr ist, dass die Bewerberinnen und Bewerber hinter den Trägern solcher Siegel etwas anderes erwarten als das, was in den Unternehmen tatsächlich gelebt wird. Das „Top Company“-Siegel von kununu basiert immerhin auf den Bewertungen von Mitarbeitenden. Allerdings reicht es für das Siegel aus, wenn ein Unternehmen von mindestens sieben Beschäftigten bewertet wurde, innerhalb von zwölf Monaten zwei neue Bewertungen bekommen hat und einen Score von 3,8 Sternen aufweisen kann. Dann können Sie das Siegel kaufen, um damit werben zu dürfen.
Die Substanz bei dem Siegel „Hamburgs beste Arbeitgeber“ besteht darin, dass es auf einer jährlichen umfangreichen Befragung aller Mitarbeitenden und Führungskräfte beruht. Dennoch hat auch dieses Siegel einige Schwächen, zum Beispiel dahingehend, dass die Fragen hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für eine Zufriedenheit am Arbeitsplatz nicht gewichtet werden. Eine gute Gesundheitsförderung könnte beispielsweise eine nicht so gute Unternehmenskultur oder hohe Stressbelastung ausgleichen. Weiterhin fehlen meines Erachtens noch einige wichtige Befragungskategorien wie beispielsweise die Lernkultur.
Sie machen aber trotzdem mit. Weshalb?
Zum einen muss ich schon konstatieren, dass Arbeitgebersiegel Aufmerksamkeit erzeugen, das Vertrauen in ein Unternehmen erhöhen und damit auch den Wunsch nach einer Mitarbeit bestärken. Das bestätigen uns Bewerberinnen und Bewerber regelmäßig in unseren Vorstellungsgesprächen. Wie viele sich aber hauptsächlich aufgrund des Siegels bei uns bewerben, lässt sich nicht beziffern.
Die Auswertungen der Befragungsergebnisse nutzen wir, um uns selbstkritisch mit unseren Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen und das Unternehmen beständig weiterzuentwickeln. Das ist für mich persönlich der größte Nutzen dieses Siegels und auch notwendig, damit die Beschäftigten hinter dem Siegel stehen. Genauso wichtig finde ich, Bewerberinnen und Bewerber im Vorstellungsgespräch darauf hinzuweisen, dass unser Unternehmen trotz des Siegels nicht perfekt ist und es nach wie vor einige Herausforderungen gibt. Es wäre schlecht, wenn neue Kolleginnen und Kollegen nach einer Woche feststellen, dass alles gar nicht so toll ist, wie das Siegel suggeriert hat. Mein Tipp: ein seriöses Siegel nehmen, die Beschäftigten nach Möglichkeit in den Siegelwettbewerb einbinden und die gewonnenen Daten für die Weiterentwicklung des Unternehmens nutzen. Arbeitgebersiegel sollten Substanz haben.
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